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Ein Urteil mit Folgen

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Ein Urteil mit Folgen

Bei der öffentlichen Vergabe von Fensterarbeiten muss ein Unternehmen die Fenster selbst herstellen, entschied das Landgericht Kiel. Rechtsanwalt Michael Peter, Geschäftsführer des HKH Saarland, berichtet.

Für seine Entscheidung (Urteil vom 17. April 2003, AZ 4 O 304/02) nannte das Gericht drei wesentliche Gründe :

  • Bei der Vergabe von Fensterarbeiten (Herstellung und Montage) stellt die Herstellung nach Maß zu produzierender Fenster den wesentlichen Teil der ausgeschriebenen Bauleistung dar.
  • Bieter, die lediglich die Montagearbeiten im eigenen Betrieb ausführen, erbringen den wesentlichen Teil der Leistung (Produktion) durch Subunternehmer. Bei dem Fensterhersteller handelt es sich – soweit es sich um nach Maß herzustellende Fenster handelt – nicht um einen Bauteillieferanten, sondern um einen Nachunternehmer im vergaberechtlichen Sinn.
  • Die Vergabestelle hat Bieter, die den wesentlichen Teil der ausgeschriebenen Bauleistung nicht im eigenen Betrieb erbringen, mangels Eignung nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A vom Verfahren auszuschließen.
Der Fall: Die Vergabestelle (VSt) schrieb die Herstellung und Montage von Holz-Aluminium-Fenstern im Wert von rund 100000 Euro für die Sanierung eines Schulgebäudes aus. Der Zuschlag wurde an den preisgünstigsten Bieter (AN) erteilt. Dieser, ein reiner Montagebetrieb, stellt die Fenster nicht im eigenen Betrieb her, sondern bezieht sie bei einem Großhersteller. Der zweitgünstigste Bieter (Kl.) rügte gegenüber der VSt die Zuschlagserteilung zugunsten des AN: Als Montagebetrieb hätte dieser mangels Eignung ausgeschlossen werden müssen. Die VSt wies die Ansprüche des Kl. zurück, u.a. mit der Begründung, die Herstellung der Fenster sei nicht als Nachunternehmerleistung, sondern als bloße Bauteillieferung anzusehen. Da keine Einigung zustande kam, erhob der Kl. Schadensersatzklage.
Die Entscheidung
Das Landgericht Kiel gab der Klage statt. Aus § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A ergebe sich, dass für die Zuschlagserteilung nur solche Unternehmen in Frage kommen, die zumindest 1/3 der ausgeschriebenen Leistungen im eigenen Betrieb ausführen. Dieses Gebot der Selbstausführung erfülle das Angebot des AN nicht. Die wesentliche Bauleistung, d.h. das Herstellen der Holz-Alu-Fenster, soll durch Nachunternehmer erbracht werden.
Entgegen der Auffassung des Auftragnehmers stelle der „Einkauf“ nach Maß herzustellender Holz-Alu-Fenster keinen Vertrag über die Lieferung von Bauteilen, sondern ein Nachunternehmer-Vertragsverhältnis dar.
Wegen des Verstoßes gegen das Selbstausführungsgebot sei das Angebot des Auftragnehmers daher auszuschließen gewesen. Die Vergabestelle hätte den Zuschlag auf das Angebot des Klägers erteilen müssen. Da nichts geschehen sei, habe der Kläger Anspruch auf den entgangenen Gewinn.
Praxishinweis
Das Gericht bestätigte die mittlerweile als gefestigt anzusehende Rechtsprechung, wonach 50 bis 80 Prozent der ausgeschriebenen Leistung von den Bietern im eigenen Betrieb ausgeführt werden müssen.
Neu sind die Aussagen des Gerichts zur Einstufung des Vertragsverhältnisses zwischen dem lediglich Montagearbeiten ausführenden Bieter und seinem Fensterhersteller. Das Gericht stufte das Vertragsverhältnis als einen Bauleistungsvertrag ein, mit der Folge, dass der Fensterhersteller Nachunternehmer des Montagebetriebes ist.

Wer produziert, der profitiert
Das Kieler Urteil könnte die Montagebetriebe aus dem Objektgeschäft verdrängen.
Die Entscheidung des Kieler Landgerichts geht juristisch in Ordnung: Auf Maß produzierte Fenster oder Innentüren sind nun einmal keine Bauteile von der Stange wie Ziegel, Steine oder ein Sack Gips. Das Urteil fördert klare Verantwortlichkeiten. Denn oftmals kann man bei Fensterarbeiten keine klare Trennlinie zwischen mangelhafter Montage und mangelhafter Herstellung ziehen. Von der Entscheidung profitieren wird der handwerkliche Fensterbau, dem sich dadurch neue Chancen am Markt eröffnen.
Die Zeche bezahlen dürften die reinen Montagebetriebe: Die Kieler Entscheidung könnte für sie das Aus im öffentlichen Objektfensterbau bedeuten. RA Michael Peter
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