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Angriffe auf die Oberfläche

Technik
Angriffe auf die Oberfläche

Die Decopaint-Richtlinie wird jetzt in nationales Recht umgesetzt (siehe Kasten rechts). Ralf Spiekers vom BHKH und Dr. J. Theo Hein von Dyrup beleuchten, wie die Branche zu der Vorschrift steht, und geben verschiedene Meinungen wieder.

Günter Füllgraf, Präsident des Bundesverbandes der Tischler- und Schreiner (BHKH), moniert eine Diskriminierung der Innenausbauer gegenüber dem reinen Möbelbau: „Der BHKH hat eine klare Position vertreten. Es kann nicht sein, dass zum einen Möbel explizit ausgenommen werden und auf der anderen Seite der Innenausbauer bestraft werden soll, wenn er einen nichtreduzierten Lack verwenden will! Daher ist der Begriff Möbel eine unglückliche Wahl.“ Seitens des BHKH sieht man durchaus die Diskrepanz zwischen dem, was die EU wollte und was in der nationalen Umsetzung dann daneben ging.

Der Vielzahl der Einsprüche von Landesvertretungen des Handwerks , die zeitgleich bei den Entscheidern in der Bundesratsvertretung eingingen, war aber kein sofortiger Erfolg beschieden. „Leider“, wie der Präsident des BHKH weiter ausführt, „wir haben auf eine generelle Ablehnung der Verordnung durch eine entsprechende Bundesratsmehrheit bzw. den Verweis in die relevanten Ausschüsse zur Novellierung gehofft. Jetzt gilt es, nachzuarbeiten und Klarheit rund um den Begriff Möbel zu schaffen.“
Möbelbegriff weiter fassen
Die Holzfachschule Bad Wildungen spricht sich für einen sehr weit gefassten Möbelbegriff aus, der den gesamten Bereich Einrichten von Räumen umfasst. Der Begriff Möbel habe die unterschiedlichsten logischen Zusammenhänge, sodass viele Innenausbauten im Sinne der Verordnung als Möbel einzustufen und vom Zwang zu lösemittelreduzierten Lacken befreit sind. „Auch wir wollen einen unnötigen Preisanstieg in der Oberfläche vermeiden“, erklärt der Schulleiter Heinz Moering. „Die Kosten sind auch nicht unbedingt an den Kunden weiterzugeben. Wir wissen, wie schwer es zurzeit für die Betriebe ist, einen positiven Deckungsbeitrag zu erzielen.“
BG fordert weitere Begrenzung
Nach der VOC- und der Decopaint-Richtlinie kommt jetzt der dritte Angriff auf die Oberfläche nicht aus dem Umweltschutz-Gedanken, sondern aus dem Bereich Arbeitsschutz. Der Hauptverband der Berufsgenossenschaften (HVBG) versucht per Berufsgenossenschaftlicher Richtlinie (BGR), den Verbrauch von Farben und Lacken zu regulieren. Unter Führung des Fachausschusses der Metall-BG hat man die BGR 231 ausformuliert. Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass die Anwendung von lösemittelhaltigen Lacken ohne Spritzstand auf 0,5 kg pro Schicht begrenzt wird.
Grenzwert sollte sich auf eine Woche beziehen, nicht auf eine Schicht
„Eine solche Regelung ist unnütz und geht an der Realität vorbei“, sagt dazu der Vorsitzende des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) im Bundesverband Holz und Kunststoff (BHKH), Wolfgang Horn. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Betriebe bei ihren Kunden auch eine vernünftige Oberfläche abliefern müssen“, so der Experte in Sachen Arbeitsschutz. Daher macht es nur Sinn, mit ge eigneten Mitteln an die Oberfläche heranzugehen. Hier bedingen sich Arbeitsschutz und Qualitätsanspruch gegenseitig. „Es kann nicht sein, dass eine Beschränkung auf 0,5 kg/Schicht Pflicht wird“, sagt Horst Kastner, Betriebstechnischer Berater beim Landesverband Holz und Kunststoff Baden-Württemberg. „Bedenkt man, dass ein kleines Schränkle eine Oberfläche von 12 m2 hat, so reicht die geplante Menge noch nicht einmal für einen vernünftigen Arbeitsschritt.“
Der Fachberater teilt voll die Position des BHKH. „Auch hier müssen wir am Ball bleiben“, so die klare Aussage. „Beschränkungen auf eine Schicht zu fixieren ist ebenfalls unglücklich. Ein auf eine Woche bezogener und deutlich höherer Wert, wie ihn der BHKH schon seit langem fordert, geht in die richtige Richtung.“ Der Bundesverband zweifelt an der Rechtmäßigkeit der geplanten Richtlinie, die nur auf die Gefahrstoffverordnung aufsatteln kann. Diese Interpretation verletze sicherlich die gesetzlichen Grundlagen, wie auch aus Kreisen der Holzberufsgenossenschaft zu vernehmen ist. Die Einhaltung des Grenzwertes ist bei 0,5 kg/Schicht sicher angemessen; aber ab 0,5 kg/Schicht erhöhte Anforderungen an die Lackierausstattung gesetzlich festzuschreiben, ist ein überzogener Weg. Die Gefahrstoffverordnung fordert Messungen, bevor ein Unternehmen zu einer solchen Investition gezwungen wird.
Es stehen Verhandlungen mit den
Berufsgenossenschaften an
Um unnötige Messungen zu vermeiden, werden in Kooperation mit den Arbeitsschutzorganisationen verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) erarbeitet, die wie beim Holzstaub bei Einhaltung von definierten Rahmenbedingungen den Unternehmer von der Messverpflichtung befreien. Bleibt zu hoffen, dass die Standesverbände mit den Berufsgenossenschaften einen tragfähigen Kompromiss finden, um die Betriebsinhaber nicht unnötig in Bedrängnis zu bringen. Es kann nicht sein, dass behördliche Regelungen die Betriebsinhaber in die Illegalität drängen.

EU
nationale Umsetzung
durch richtet sich an Forderungen Zeit
VOC-Richtlinie 31. BImSchV Großverbraucher Grenzwerteinhaltung seit > 5t/a Reduzierungsplan für 31.12.2004 Produkt und/oder Grenzwerteinhaltung
Decopaint- ChemVOCFarbV Hersteller Reduzierung des Löse- ab Richtlinie mittelanteiles in Farben 2007/2010 und Lacken (Anhang II) Kleinanwender Verbot von nichtreduzier- < 5t/a (Produkt- ten Lacksystemen beschränkung) (Anhang I) Ausnahmen: „Möbel“ etc.
BGR 231 1 Kleinanwender max. 0,5 kg Lack pro ohne Spritzwand 1 Schicht

Grenzwerte für Lösemittelgehalt von Lacken
Eine Verordnung zur Begrenzung von Lösemittelemissionen durch lösemittelhaltige Farben und Lacke hat jetzt den Bundesrat passiert. Ralf Spiekers vom BHKH und Dr. J. Theo Hein von Dyrup beschreiben den aktuellen Stand.
Die „chemikalienrechtliche Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) durch Beschränkung des Inverkehrbringens lösemittelhaltiger Farben und Lacke“ (ChemVOCFarbV, Umsetzung der Decopaint-Richtline in nationales Recht) wird voraussichtlich noch im Januar veröffentlicht. Anders als bei der VOC-Richtlinie sind hiervon auch handwerkliche Betriebe betroffen, die in geringem Umfang Lackierarbeiten ausführen.
Die Verordnung gibt Grenzwerte für den Lösemittelgehalt von Lacken und Farben vor, die in und an Gebäuden, Bauteilen oder dekorativen Elementen verarbeitet sind. Hierzu zählen u.a. Fertigteile, Fenster, Türen, Zargen, Fußböden, Treppen oder Vertäfelungen. Explizit ausgenommen sind Möbel. Der Geltungsbereich der Verordnung deckt dennoch den Großteil der Tischlereiprodukte ab.
Die Decopaint-Richtlinie dient zur Begrenzung der VOC-Emissionen von Dekorfarben und Produkten der Fahrzeugreparaturlackierung. Studien zufolge – so argumentiert die EU – werden durch einen niedrigeren Lösemittelgehalt von Dekorfarben und Lackprodukten die VOC-Emissionen bis zum Jahr 2010 um rund 280 000 t verringert; bei den Fahrzeugreparaturlacken wäre eine Verringerung um rund 15 000 t möglich.
Der deutsche Gesetzgeber hat, von den Interessenvertretern wie z. B. den Lackverbänden unbemerkt, den Kreis der Betroffenen gegenüber der VOC-Richtlinie deutlich erweitert, indem er auch die Kleinmengenverbraucher unter 5 t/a mit einbezogen hat. Vom Verbot der Verwendung nicht lösemittelreduzierter Lacke ausgenommen wurden Anlagen, die der 31. BImSchV (nationale Umsetzung der EU-VOC-Richtline) unterliegen.
Seit Jahren strebt die EU eine Verminderung der Emissionen von Schadstoffen an. Mit der ersten Umsetzung des Reduzierungsgedankens wurden 2001 die Großverbraucher erfasst. Von der Umsetzung der EU-Decopaint-Richtlinie in nationales Recht sind im Holzbereich vor allem Farbenhersteller und Kleinverarbeiter betroffen. Weitere Einschränkungen für den Umgang mit Lösemittellacken durch den Arbeitsschutz sind geplant.
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