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Heiter bis wolkig

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Heiter bis wolkig

Die deutsche Möbelindustrie ist im ersten Halbjahr 2016 um knapp fünf Prozent gewachsen. Verbandspräsident Axel Schramm skizziert die Lage der Branche und gibt einen Ausblick in die Zukunft.

Im ersten Halbjahr 2016 lagen die Umsätze der deutschen Möbelindustrie bei 8,9 Mrd. Euro und damit um 4,9 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Nach einem erfolgreichen Jahr 2015 mit einem Umsatzplus von 6,2 Prozent wurden die Erwartungen unserer Industrie mit diesem weiteren Wachstum deutlich übertroffen. Das Vorkrisenniveau von 2008 ist damit wieder überschritten.

Dennoch ist bei weitem nicht alles positiv, denn wir verzeichnen eine Reihe von schmerzlichen Insolvenzen – gerade auch von traditionsreichen Möbelunternehmen. Die Produktion von Möbeln in Deutschland wird immer schwieriger und stellt uns vor große Herausforderungen.
Vorkrisenniveau erreicht
Ungefähr ein Drittel (31,7 Prozent) der in Deutschland gefertigten Möbel geht direkt ins Ausland. Diese Quote hat sich seit der Jahrtausendwende verdoppelt. Dies ist das Ergebnis langjähriger Exportanstrengungen unseres Industriezweiges und ein starker Beleg für die Wertschätzung für Möbel »Made in Germany«. In 2015 belegten wir mit 5 Prozent der weltweiten Möbelproduktion hinter China (41 Prozent) und den USA (12 Prozent) übrigens den dritten Platz. Auf Platz vier folgt Italien (4 Prozent).
Die insgesamt zufriedenstellenden Wirtschaftszahlen der Möbelindustrie im 1. Halbjahr stehen natürlich im Widerspruch zu den eingangs erwähnten Insolvenzen. Hier haben viele Gründe eine Rolle gespielt: zum einen leidet die Möbelindustrie seit langem an Überkapazitäten. Unter anderem hat das Ende der Schrankwand dazu beigetragen, dass weniger Holz verarbeitet wird. Die Rendite ist viel zu gering und verhindert notwendige Investitionen in den Unternehmen.
Globalisierung des Möbelmarktes
Für unsere Produzenten ist es schwierig, die betriebswirtschaftlich notwendigen Preise durchzusetzen. Dies wiederum hängt maßgeblich mit der noch immer zunehmenden Globalisierung des Möbelmarktes zusammen. Die Kosten für die Produktion von Möbeln sind im Ausland schlichtweg niedriger.
In der Globalisierung liegen aber auch Chancen. Aus einer Auswertung unserer Fachverbände ergibt sich, dass die Unternehmen, die schon heute selbst eine internationale Produktion betreiben oder im Ausland fertigen lassen, besonders erfolgreich sind.
Diese Entwicklung ist bei Polstermöbeln nicht neu – bei Kastenmöbeln dagegen schon. Bei Polstermöbeln ist der internationale Effekt besonders ausgeprägt, weil diese viel Handarbeit erfordern, was zu einem sehr hohen Lohnkostenanteil führt. Durch eine mit Augenmaß betriebene Internationalisierung des eigenen Geschäfts können auch in Deutschland hochwertige Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden.
Anders stellt sich die Situation für die Küchenmöbelindustrie dar. Hier wurde in den letzten Jahren eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Der Halbjahresumsatz liegt seit fünf Jahren (weiter wachsend) bei über 2 Mrd. Euro. Damit wird jeder vierte Euro in unserer Branche mit Küchen umgesetzt.
Der Markt für Küchenmöbel boomt
Dazu hat hauptsächlich eine gestiegene Bautätigkeit, sicherlich aber auch der Zeitgeist beigetragen. Zahlreiche Fernsehsendungen belegen: »Man« kocht seit Jahren gerne in Deutschland. Grundrisse verändern sich mit offenen Küchen, hochwertige Ausstattung wird damit wahrnehmbar. Küchen sind das neue Statussymbol. Die Wirtschaftswoche hat jüngst ein Ranking der 30 erfolgreichsten deutschen Luxusmarken veröffentlicht, darunter befinden sich sage und schreibe acht Möbelhersteller. Vor zehn Jahren spielten Möbel im Luxusbereich noch eine weniger prominente Rolle. Gute Marken helfen der gesamten Industrie, denn sie sind die Leuchttürme, von denen auch andere profitieren.
Das Besondere ist: Die ausgesprochen erfolgreiche Produktion unserer Küchenhersteller erfolgt fast ausschließlich in Deutschland. Diese starke nationale Fertigung ist möglich, weil die Hersteller früh auf Automatisierung, Standardisierung und Digitalisierung gesetzt haben. Die Küchenindustrie nutzt hierfür schon heute viele Bausteine von Industrie 4.0. Dies ist der richtige Weg für die gesamte Möbelindustrie und natürlich nicht von heute auf morgen umsetzbar. In vielen Fällen erfordert dies nämlich, teure Maschinen durch internetfähige Produktionsanlagen zu ersetzen. Die Investitionen dafür sind erheblich, der Weg allerdings alternativlos.
Es reicht natürlich nicht aus, nur die eigene Produktion zu optimieren. Vielmehr gilt es, den Möbelstandort Deutschland gesamtheitlich zu stärken. Um dies zu erreichen, steht für uns der Handel als Partner an erster Stelle. Wir brauchen in Zukunft aber ein anderes Miteinander und auch hier eine konsequente Nutzung IT-gestützter und vernetzter Lösungen. Der Kunde verändert sein Verhalten: er wird komplizierte Prozesse, lange Lieferzeiten und mehrstufige Vertriebe immer weniger akzeptieren.
Virtualisierung ist in vollem Gang
Der Umsatz des gesamten deutschen Möbelhandels 2015 legte um 4,3 Prozent auf 32,8 Mrd. Euro zu. Die Steigerungsrate im Versandhandel lag mit 14 Prozent dreimal so hoch. Davon sind 4/5 Onlinehandel, so dass der Online-Anteil (rund 2 Mrd. Euro) derzeit etwa 6 Prozent des Gesamt-Handelsumsatzes beträgt. Die teuren Anschaffungen werden unverändert im stationären Handel gekauft, nur deshalb ist der Euro-Anteil so gering. Mengenmäßig betrachtet ist der Anteil höher. Daher ist der Onlinehandel deutlich marktprägender als es die 6 Prozent nahelegen.
Noch ein Blick auf den Außenhandel: Der Gesamtexport aus Deutschland stieg im ersten Halbjahr 2016 um 2 Prozent auf 5,2 Mrd. Euro. Impulse kamen aus Europa und Nordamerika. So entwickelte sich der Absatz in die EU-Länder überdurchschnittlich mit einem Plus von 2,8 Prozent auf 3,6 Mrd. Euro. Zwar sanken die Ausfuhren in unseren wichtigsten internationalen Absatzmarkt Frankreich im ersten Halbjahr um 1,7 Prozent. Die Ausfuhren in die Niederlande und nach Italien hingegen stiegen mit 8 bzw. 7,7 Prozent deutlich. Der britische Markt entwickelte sich mit einem Anstieg von 2,5 Prozent langsamer als im Vorjahr. Hier wird sich die Entscheidung zum Brexit zwangsläufig negativ auf unsere Branche auswirken. Mit einem Exportwert von über 700 Mio. Euro belegt das Land aktuell noch Platz fünf der wichtigsten Möbelexportmärkte.
Export stark, Import aber auch
Der Möbelimport bleibt eine Herausforderung für die Branche. Hier verzeichnen wir im ersten Halbjahr eine Steigerung um 1,8 Prozent auf 6,4 Mrd. Euro. Die Importquote hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre auf 62 Prozent verdoppelt. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um den Import von Möbeln im untersten Preissegment. Auch in den traditionell von deutschen Herstellern stark besetzten Segmenten entsteht internationale Konkurrenz. Besonders stark sind unsere osteuropäischen Nachbarn. Die meisten Möbelimporte kommen aus Polen, hier wurde im ersten Halbjahr ein Importanstieg um 8,1 Prozent (auf knapp 1,6 Mrd. Euro) verzeichnet.
Für das zweite Halbjahr 2016 sind die Vorzeichen weiter positiv denn mit anhaltender Konsum- und Bautätigkeit wird es weiter einen moderaten Aufschwung geben. Die Wirtschaftsforschungsinstitute korrigieren aber die Aussichten für 2016 und 2017 – insbesondere wegen des Brexit – derzeit leicht nach unten. Internationale Krisen verunsichern auch hierzulande zunehmend die Verbraucher. Das Exportgeschäft dürfte in der zweiten Jahreshälfte auch deutlich an Dynamik verlieren. Deshalb gehen wir für das Gesamtjahr 2016 von einem Gesamtergebnis in Höhe von rund 3,5 Prozent aus.

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Axel Schramm ist Präsident des Verbandes der deutschen Möbelindustrie (VdM). Der vorliegende Text basiert auf seinem Vortrag anlässlich der Jahres-Wirtschaftspressekonferenz des VdM vom 29. August 2016 in Köln

Die deutsche Möbelindustrie

Umsatz: 17,4 Mrd. Euro (2015)
Betriebe: 500
Beschäftigte: 84 000
Exportquote: 31,6 %
Wichtigste Exportländer: Frankreich, Schweiz, Österreich, Niederlande, Großbritannien
Wichtigste Importländer: Polen, China, Tschechien, Italien, Ungarn
Anteil an weltweiter Möbelproduktion: 5 %
Quelle: VdM/VdDK 9/2016
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