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Wie Schreiner wohnen

Gestaltung
Wie Schreiner wohnen

Mit viel Liebe zum Detail gestaltet Dieter Stojan, langjähriger Schulleiter der Meisterschule Ebern, seine vier Wände. Wir durften uns ein Bild machen.

JN (nach Notizen von Dieter Stojan)

Wertvoll werden Dinge nicht durch ihren Preis, sondern durch die Zeit, die wir auf sie verwandt haben. Unter dieser Maxime betrachtet ist das Stojansche Haus, das vor 23 Jahren in direkter Nachbarschaft zur Meisterschule bezogen wurde, ein echtes Wertobjekt. Dabei handelt es sich eher um ein gar nicht spektakuläres Fertighaus. Das selbe Modell übrigens, welches die Stojans zuvor in Beckum bewohnt haben.
Die Gelegenheit, das gleiche Haus ein zweites mal einzurichten, birgt die Gefahr zwanghafter Wiederholung und die Chance der Vertiefung. Die »schnelle Hütte Nummer zwei« entspricht in der Aufteilung genau ihrer Vorgängerin. So blieb es der Familie zum einen erspart, nach dem Umzug mit der Einrichtung des Hauses wieder bei Null anzufangen, zum anderen gab es einen Vorsprung im »Verwachsensein« mit der Umgebung. Der Grad der Durchdringung zeigt sich in Praxistauglichkeit und Detaillierung der Einrichtung – ein Argument dafür, die eigene Hülle zu gestalten, anstatt sie zu wechseln. Dass die vielen Bücher der Familie ihre Plätze im Regal behielten und einen Besucher zu späterer Stunde glauben machten, er sei in Beckum, ist eine nette Geschichte. Sie illustriert zwei Seiten eines zentralen Motivs: Besser werden, wo es Sinn macht, beibehalten, was sich bewährt hat.
Dieter Stojan: »Ein Leitgedanke beim Innenausbau des Hauses war für mich, von der damals in Einfamilienhäusern üblichen Baustoff-Mustersammlung weg zu kommen. So gibt’s hier nur Kiefer mit Wengé, Fichte, Esche, Rotbuche für die Treppenstufen, die Kokosmatte im Flur, Fliesen im Bad und WC und die Kacheln hinter dem Küchenherd. Einrichtung sollte »echt« sein und die Einstellung des Schreiners zu Holz und Gestaltung und seinem Handwerk zeigen«. Dabei muss nicht zwanghaft Holz im Vordergrund stehen. Holz erscheint hier vielmehr als gestalterische Klammer, die aus vielen Einzelstücken ein stimmiges Ganzes macht. Handwerkliche Gestaltung zeigt sich auch in der Liebe zum Detail. Da gibt es zum Beispiel die Wengé-Griffe an Fenstern und Türen, Briefkasten, Türgriff und Klingel aus einem Holz, das Treppengeländer … Neben optischem Genuss bereiten sie auch ein haptisches Vergnügen und sind doch immer der Funktion angepasst.
Man muss nicht alles aus sich selbst schöpfen: In der Stojanschen Behausung haben viele Geister und Hände Spuren hinterlassen. Allen voran der Bochumer Meister Udo Dickerhoff, der den jungen Dieter Stojan in der Tischlerausbildung handwerklich und stilistisch geprägt hat. Weitere kamen hinzu. Noch heute ist es Stojan wichtig, die geistigen Väter jeder Gestaltungsidee zu nennen: »Auf die Idee, die Zimmertüren mit Knöpfen zu versehen, brachte mich Professor Gebhard in Münster, der an der Terrassentür einen Kieselstein hatte. Und da war der Gedanke, dass in einem Einfamilienhaus Zimmer nicht abschließbar sein müssen. Das hat sich sogar mit den Kindern an Weihnachten bewährt.«
Im ganzen Haus liegen Dielen, auch in der Küche. Sie vermitteln Großzügigkeit, wo der Grundriss klein ist und sie verbinden die Einzelstücke miteinander. Die Fenster im Wohnzimmer reichen nur bis zur »Gürtellinie«, damit sich noch das Gefühl von Geborgenheit einstellen kann. Diese Linie setzt sich mit den Regalen und Schränken fort. Die Sitzgruppe bleibt luftig, durchsichtig und leicht, um die Weite des Raumes zu erhalten. Die Küche orientiert sich am Ideal einer Kombüse: Kurze Wege und ergonomisch gestaltete Abläufe. Die pflegeleichte Arbeitsplatte aus Wengé harmoniert mit den Kiefer-furnierten Unterschränken mit massiven Anleimern. Auch die Wand ist mit Brettern aus Fichtenholz verkleidet. Hinter der Herdplatte sind handgefertigte Kacheln (Christel Humpert, Bochum). Die Geräte hängen oder stehen griffbereit – schon bevor der Trend das Prinzip aufgriff.
Innen und Außen
Zur spöttelnden Freude der Freunde gab es den Griff der Haustür lange, bevor das Türelement fertig war. Vielleicht, um das Planungsprinzip »von innen nach außen« konsequent umzusetzen, oder weil gerade Zeit war, den Griff und den Klingelknopf zu drechseln?! Vor allem diese Haustür zeigt den Wunsch nach der Einheit aller Elemente, die zu einer »Funktion« gehören. Derjenige, dem die Dickerhoffsche Handschrift vertraut ist, kann hier erkennen, wie prägend ein Lehrbetrieb sein kann und sich aus vorgelebter Gestaltung eigene Sprache formt – wie sich Gestaltung über Jahre entwickelt und doch bei sich bleibt.
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