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Möbelmarathon international

Gestaltung
Möbelmarathon international

Auch im Januar 2006 war die Kölner Möbelmesse wieder eine Megashow. Wer unorganisiert kam, hat das Event mit Sicherheit ziemlich erschöpft und verwirrt verlassen. Dirk Schellberg hat für Sie Eindrücke, Konzepte und Trends zusammengestellt.

Die Messe effektiv zu nutzen ist eine Kunst. Ob für Designer oder Schreinermeister, als Barometer für die wichtigsten Strömungen im Bereich Möbel und Inneneinrichtung ist dieses Ereignis nach wie vor ein Muss. Die Zahl der Aussteller und Besucher ist im Vergleich zu den Vorjahren fast gleich geblieben. Die ehemaligen Hallen eins bis drei wurden verkauft. In den vier großen Neubauten, den Nord-Hallen, war vergleichsweise weniger Publikum unterwegs als in den alten Hallen.

Mit 158 Ausstellungen präsentierten sich in der Kölner City die so genannten Passagen wieder einmal als Gegenentwurf zur Messe. Das Konzept ist mittlerweile so erfolgreich, dass einige nur noch hier ausstellen.
Aber auch die Messe gibt sich alle Mühe, durch Ausstellungen und Events das Kölner Designmonopol zu behalten: ideal houses, informed by cologne, der interior innovation award, future point, interior trends 2006, Erfolg durch Design und vier so genannte Informer sollten für das Publikum Trends und Strömungen sichtbar werden lassen. Das ist jedoch nur bedingt gelungen. Man konnte sich fragen, ob die Messegesellschaft mit der Umstrukturierung überfordert war.
Der zum Designer-Duell stilisierte Event »ideal house« geriet zum gestalterischen Offenbarungseid. Nicht nur der neue Standort war problematisch und hätte mehr schöpferische Kraft gebraucht. Weder der so oft zur Ikone des deutschen Designs erhobene Dieter Rams noch die drei internationalen Newcomer Astrid Krogh, Stefan Diez und Joris Laarmann erreichten ein nennenswertes Niveau. Rams’ japanistisches Konzept blieb das Abziehbild einer fremden Kultur, und die jungen Kollegen zelebrierten halbfertige Gerüstbaukunst, unterfüttert mit designphilosophischen Pressetexten.
Der wirkliche Nachwuchs wurde von der Messe ins Exil verbannt. Die drei Sondershows der Schulen und Jungdesigner waren in der Rheinhalle untergebracht und lediglich über ein Förderband zu erreichen. Nur wer gut informiert war oder zufällig hier strandete, fand die Ausstellung. Und an den zwei Publikumstagen musste sogar ein Sondereintritt entrichtet werden. Alle Beteiligten rauften sich die Haare!
Klammheimlich hat sich übrigens ein Designmonopolist erstmals auf der Messe präsentiert. Zugegeben, dass sich das große skandinavische Möbelhaus hierzulande geschmacksbildend sehr verdient gemacht – manch ein Designermöbel ließe sich ohne diese Vorarbeit schlecht verkaufen. Man fragt sich aber, was den Branchenriesen zu seinem Messeauftritt veranlasst hat – müssen wir uns Sorgen machen?!
Konzepte
Mich hat in diesem Jahr ganz besonders interessiert, wie die Messe für Tischler und Schreiner kommerziell nutzbar ist. Grundvoraussetzung für Erfolg ist immer die Vorbereitung. Wer ohne geeignetes Werbematerial, Einladungen, geübte Eröffnungsgespräche oder aktives freundliches Verhalten in der Ausstellung an den Start geht, hat bereits wertvolle Chancen verschenkt. Viele Handwerker tun sich da schwer.
Auf der Messe erfolgreiche Betriebe weisen meist wichtige Gemeinsamkeiten auf. Sie haben einen handwerklichen Hintergrund in Kombination mit einer Gestaltungsausbildung. Ihre Strategie zielt nicht unbedingt darauf ab, den Massenmarkt zu bedienen, sondern über den Verkauf ihrer Kleinserien ins Objektgeschäft zu kommen und dabei Aufträge für Einrichtungen oder Innenausbau zu akquirieren.
Besonders gefallen haben mir die MDF-Entwürfe von Josef Egger. Er zeigt mit seinem CD-Regal endlich einmal eine pfiffige Lösung jenseits des Stapelprinzips, die dem Nutzer tatsächlich nützt. Schluss mit verdrehten Halswirbeln und zusammen gekniffenen Augen! Die CD präsentiert sich immer von ihrer Frontfläche. Als Schreiner und Architekt verfolgt Egger das Konzept der manufakturellen Fertigung.
Ganz anders, nämlich als Dienstleister, tritt Novum³ in den Passagen an. Ihr Ziel ist, dreidimensionale Oberflächen für individuelle Möbel zu fertigen. Wer sich mit CNC-Technologie auskennt, weiß um die Probleme des 3-D-Fräsens. 3-D-Oberflächen oder Ornamente könnten eine Nische für Schreiner sein. Diesen Markt möchte Novum³ bedienen. Die gefrästen Oberflächen müssen Dank des Know-how dieses Dienstleisters kaum nachbearbeitet werden. Wer weiß, vielleicht sieht man schon bald Massivholzentwürfe jenseits des rechten Winkels?! »Vereinigte Saarschreiner« ist eine Kooperative, die durch Marketing die Akzeptanz des von Einschlüssen und Verfärbungen gekennzeichneten saarlän- dischen Buchenholzes erhöhen möchte. Da Kooperativen meist am Vertrieb scheitern, wird das Projekt durch ein professionelles Marketingbüro gecoacht. Es soll der qualifizierte regionale und überregionalen Fachhandel angesprochen werden. Die Zusammenarbeit mit dem gehobenen Versandhandel wird vorbereitet. Die sehenswerte Massivholzmöbelkollektion ist von verschiedenen deutschen Designbüros entworfen worden.
Gabriela Bellon zeigt, dass minimalistische Massivholzmöbel nicht durch Materialdicke, sondern durch sensible Proportionierung Werte schöpfen. Der dezente Einsatz von Edelstahl wird zum Markenzeichen. Zwei für den Interior Innovation Award Cologne nominierte Bänke mit versenkbaren Rücklehnen lassen eine Mehrfachnutzung zu – so schlicht kann gute Gestaltung sein! Vor zwei Jahren entstand mit Bellon ein Unternehmen, das Wert auf handwerkliche Fertigung legt. Intensiv arbeitet Gabriela Bellon an der Markenbildung. Ihre persönliche Präsenz steht für das Unternehmen. Vertrieben wird hauptsächlich in Deutschland.
Knut Völzke, ebenfalls Protagonist manufaktureller Fertigung, hat den Preis Interior Innovation Award Cologne 06 erhalten. Der Markenname »Leise« steht für Designentwicklung und Vertrieb. Die Modulmöbel, in Deutschland gefertigt, sind von entwaffnender Schlichtheit. Auch Knut Völzke generiert mit seiner Kollektion so manchen Objektauftrag.
Bei meinem letzten Rundgang fiel mir noch die Firma Country Living auf. Ein MDF-Modul-Regalsystem und bunte MDF-Puzzlebilderrahmen lockten mich durch die offensichtliche CNC-Fertigung auf den Stand. Bilderrahmen, nicht nur aus Holz, sind eines der Firmenstandbeine. Daneben wird noch ein mobiles Containermöbel gefertigt, dessen ausziehbare Arbeitsfläche erstaunlich gut »läuft«. Das Konzept, neben Möbeln auch Accessoires zu fertigen, ermöglicht diesem Unternehmen, Marktunsicherheiten auszugleichen.
Trends in Lifestyle-Deutsch
Wie schon im letzten Jahr hat die Messe ein so genanntes Trendboard, bestehend aus namhaften Interior-Experten, ins Leben gerufen. Ergebnisse waren eine sehenswerte Ausstellung und ein Buch zu den Trends 2006, das bei der IMM Cologne bestellt werden kann. Als Megatrends werden benannt: Storytelling, The Essentials, Technique Nature, The New New und New Rituals.
Leider wird es dem Leser überlassen, aus »Lifestyledeutsch« herauszulesen, was wirklich angesagt ist. Schade auch, dass nicht deutlicher an die Trendvorhersagen von 2005 angeknüpft wird, sind doch mit Tom Dixon und Reiko Miyamoto zwei »Scouts« wieder berufen worden. Ganz so schnelllebig ist unsere Zeit nun doch nicht! Dirk Schellberg

Dunkle Hölzer beliebt
Dunkle Holzarten dominieren bei den Massivhölzern. Nussbaum wird sicherlich teurer werden. »Exoten« wie rotkernige Buche werden zunehmend salonfähig. Äste und Splintholz mutieren zum Qualitäts- merkmal für das »wahre Naturprodukt« und werden entsprechend in Szene gesetzt. Neue Materialien bilden weiterhin einen Schwerpunkt im Möbelbau.

TV, Accessoires und mehr
Das Ornament kommt! Höchste Zeit, sich mit Großdruck- und CNC-Technik auseinander zu setzen und/oder sich nach entsprechenden Dienstleistern umzusehen. Der Deutschen zweitliebstes Kind zeigt einen Flachbildschirm und immer größere Diagonalen – neue Anforderungen an Möbel und Innenarchitektur. Wer Betten baut, liefert vermehrt auch den Rest des Schlafzimmers als Handelsware. Accessoires wie Leuchten, Schalen, etc. werden wichtiger. Es lohnt sich ein Blick zu den fernöstlichen Herstellern.
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