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Möbel oder Design?

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Möbel oder Design?

Die Zukunft der Kölner Möbelmesse wird nach der Inszenierung vieler Freiflächen im Januar 2009 heftig debattiert: Entwickelt sich die Ordermesse zum Designzirkus? Oder wird eine erfolgreiche Messe fahrlässig schlechtgeredet? Dirk Schellberg hat sich ein eigenes Bild gemacht.

Dipl. Designer Dirk Schellberg

Wo sind die Möbeltrends? Das konnte man auf einem Plakat der IMM Cologne lesen. Dort ist eine etwas ungelenke junge Frau mit rosa Luftballon und Fragezeichenblick abgebildet. Es scheint, die Messeausrichter wissen die Antwort selber nicht. Letztlich bleibt es dem Besucher überlassen, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Wie in den letzten Jahren bemühte sich zwar ein international besetztes Gremium, die Interiortrends 2009 zu bestimmen, das nett gemachte Booklet brilliert jedoch nur mit pseudopoetischen Beschreibungen, denen Möbel und Farben zugeordnet werden (vgl. Beitrag in dds 11/2008, S. 28). Meiner Meinung nach nicht der Rede wert. Es mag durchaus schwierig sein, das postmoderne Konsumentenverhalten vorherzusagen, aber mit entsprechender Bodenhaftung ist es nicht unmöglich.
Die Messe ist leerer als sonst, und das trotz etlicher Sonderveranstaltungen. Dieses Jahr sind es etwa 200 Aussteller weniger als 2008. Leerstände wurden durch Espressobars, Massagesesselvertreter oder künstlerische Ausstellungen gefüllt. Wer nichts Böses ahnend auf die großflächig angelegte Schau des niederländischen »Atelier van Lieshout« traf, brauchte schon einen sehr erweiterten Kunstbegriff, um das Thema »Design meets Art« gelassen zu ertragen. So etwas ist auf der Art Cologne wohl besser aufgehoben. Designzirkus oder Ordermesse, das ist hier die Frage.
Laut Thomas Grothkopp vom BVDM ist noch kein Konjunktureinbruch auf dem Möbelmarkt zu erkennen. Nach einer Umfrage von TNS-Infratest im Dezember 2008 wollen 14 Prozent der befragten Verbraucher den geplanten Möbelkauf um ein Jahr verschieben. Vom Rest sollte sich das Handwerk eine Scheibe abschneiden – indem es Trends aufgreift, die es gut bedienen kann.
Homing, Vintage, Öko
Der Rückzug ins Private ist ungebrochen. Gefragt sind individuelle Produkte mit Geschichte. Wer könnte die besser erzählen als ein Handwerker, der ein personalisiertes Produkt anbietet? Eine schöne Geschichte hat sich der nieder- ländische Designer Ruud van Hemert ausgedacht. Alte beschädigte Möbel werden in dünne Scheiben geschnitten, die entstandenen Profile auf eine Platte geleimt und die Zwischenräume mit schwarzem Bootsbaugummi aufgefüllt. Ergebnis ist ein Tisch, dessen Details zum Verweilen und Staunen anregen.
Alte Schubläden in neuem Gehäuse verkauft Franziska Wodicka. Auch sie macht sich die Seele alter Möbel zunutze. Bei aller Poesie bleibt zu hoffen, dass die Designer nicht mal aus Versehen ein seltenes Original filetieren.
Öko Design, geheimer Dauerbrenner, wird neu propagiert. Dass sich der Umweltgedanke beim Möbelbau nur im massiven Holz widerspiegelt, halte ich indes für ein Gerücht. Trotzdem setzten einige Aussteller ganz auf massive Ware. Stämme, die vor einigen Jahren bestenfalls zu Spanplatte verarbeitet worden wären, zieren nun das Wohnzimmer. Gerissene Tischplatten, alles durch und durch Natur. Riva 1920, ein italienischer Massivmöbler, gibt jedem Kunden eine Baumpatenschaft – auch eine schöne Geschichte.
Unser Trendbarometer
  • Wohnmöbelhersteller entdecken den Markt für das individuelle Homeoffice. Im sogenannten i-panel von Vogelauer ist alles untergebracht, was man braucht. In der Ledersitzeinheit befinden sich Drucker und Scanner. Ein wahres Schmuckstück von Sekretär stellte die Firma Stilvoll auf die Messe. Sehr gut proportioniert und konstruiert, würde das massive Nussbaummöbel glatt als Meisterstück durchgehen.
  • Unsere Wohnzimmer werden zu Kinosälen, nur die Popcornmaschine fehlt noch. Die Hersteller bemühen sich nach wie vor, Beamer und Plasmabildschirm möglichst unauffällig im Wohnbereich unterzubringen.
  • Um gewachsene Strukturen geht es beim Thema Ornament. CNC-Fünfachs-Technologie macht’s möglich, bisweilen wird der Bogen allerdings überspannt. So stellte Varangis den Prototyp eines Stuhls auf die Messe, dessen Lehne dermaßen befräst war, dass Anlehnen unter Aufsicht gestellt wurde.
  • Wahre Schlafmaschinen drängten sich in Halle 9. Man fragt sich, wie wir es ungesund schlafend überhaupt bis ins 21. Jahrhundert geschafft haben. Dass es auch handwerklicher gehen kann, zeigt Relax mit Massivholzbetten. Mondgeschlagenes Holz, Edelsteine im Lattenrost, alles ist dabei.
  • Outdoor- sprich Gartenmöbel tauchen verstärkt auf der Messe auf, obwohl es dafür die »Spoga« als eigenständige Messe gibt. Individuelle Gartenmöbel gehobener Art könnten ein lohnendes Thema für Schreiner sein.
  • In allen Bereichen werden Materialkombinationen immer wichtiger, seien es gekantete Blechtafeln, thermisch verformte Kunstquarzwerkstoffe oder hinterdrucktes Glas.
  • Formal zeichnen sich zwei Richtungen ab, die beide technologischen Ursprungs sind: Facettenartig zusammengesetzte Körper, die aus jahrelangem Bemühen der Designer resultieren, Platten gleich welchen Materials per CNC-Technik in die dritte Dimension zu bringen. Das Publikum hat sich an solche Möbel mittlerweile gewöhnt und empfindet sie nicht mehr als unterkühlt.
Organische Formen sind mit neuen Produktionstechniken einfacher herzustellen. Sogenannte generative Verfahren erlauben es, praktisch jede Form aus Kunststoff oder Metall herzustellen. Eine Voraussetzung für Schöpfungen dieser Art ist es, spezielle CAD-Software virtuos zu beherrschen. Erste jugend- stilartige Entwürfe waren auf der Messe bereits zu sehen.
Messestand vom Staat
Wer selber Messeluft schnuppern will, kann das im nächsten Jahr versuchen. Vater Staat in Gestalt des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (www.bafa.de) unterstützt junge Herstellerfirmen mit einem Messezuschuss von bis zu 7500 Euro. Ausgestellt wird gemeinschaftlich auf einer Standfläche von 10 bis 15 m2 pro Firma. Unter dieser Überschrift gab es bereits in diesem Jahr einige interessante Möbel zu sehen. Die Aussteller waren durchweg zufrieden. Auch eine schöne Geschichte.
»Gefragt sind individuelle Produkte mit Geschichte.«
Dirk Schellberg
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