Wenn Möbel durch die Wand gehen

Werden Architektur und Innenausbau Hand in Hand geplant, verschmelzen sie oft zu einer besonders harmonischen Einheit. Beispiele hierfür hat Johannes Kottjé in seinem Buch »Individueller Innenausbau mit Möbeln« zusammengestellt. Bei dem hier gezeigten Projekt ist die formale und funktionale Durchdringung von Flächen ein in vielen Spielarten wiederkehrendes Motiv.

Schauplatz dieses Innenausbaus ist ein Wohnhaus im Allgäu, das trotz der puristischen Gestaltung Bezüge zur traditionellen regionalen Architektur zeigt: mit einem Satteldach, dem weiß verputztem Wohngeschoss und einem mit Holzschindeln bekleideten Obergeschoss. Die Innenräume sind fast durchgängig mit individuell entworfenen Möbeln ausgestattet. Wie bei den Fassaden dominieren auch hier weiße und hölzerne Oberflächen, ausgeführt in lackierter MDF, Mineralwerkstoff und Starkholzfurnier in Eiche.

In Kombination finden sich diese drei Oberflächen in der Küche: Hier bildet der raumhohe, die gesamte Längswand einnehmende Küchenschrank in Eiche ein optisches Rückgrat für die leichter wirkenden niedrigen Möbel in Weiß: unterhalb des Fensters die Küchenzeile mit Spüle, die seitlich in den Eichenschrank einzudringen scheint, frei im Raum stehend der Küchenblock mit Herd und Esstheke. Auch am Essplatz im Wohnraum findet sich die markante Furnieroberfläche: Eine wandhängende, blockhaft anmutende Sitzbank in Eiche durchstößt scheinbar die Betonscheibe und wird unterhalb des Fernsehers zu einem niedrigen Sideboard.

Individuelle Einbaumöbel

Das Wohnzimmermöbel in lackierter MDF verläuft unter einem Fensterband vom über Eck verglasten Kamin bis zum Spiel- und Gästezimmer. Quadratische Fronten in zwei Größen sind scheinbar willkürlich angeordnet. Ergänzend zu den Staufächern im Inneren des Möbels entstehen so auf der Oberseite und in Einschnitten diverse Ablage- und Stellmöglichkeiten. Wird die raumhohe Schiebetüre zwischen Wohn- und Spielzimmer geschlossen, fährt sie in eine unauffällige Fuge des Möbels ein und wird dann scheinbar selbst von diesem durchdrungen.

Raffinierte Durchdringung

Interessant auch die Waschtische in den drei Bädern und Toiletten: Im Elternbad wurde ein aus weißem Mineralwerkstoff gefertigter Kubus leicht überhängend auf den Rand der mit Schiefer bekleideten Badewannenumbauung aufgesetzt. Er beinhaltet unterhalb der beiden Waschbecken Staufächer, links davon einen Wäscheabwurfschacht in den Hauswirtschaftsraum hinter der Küche. Oberhalb des Waschtischs »schwebt« ein beleuchteter Spiegelschrank, der weit auskragend nur einseitig an der Wand aufgehängt ist – im Inneren trägt ein massives Stahlprofil die Last. Seine freie Stirnseite wurde mit einem Hirnholzfurnier belegt, das den Querschnitt eines Baumstamms abbildet und sogar typische Schwindrisse zeigt. So stilisiert der Spiegelschrank einen aus der Wand herauskragenden und diese wiederum scheinbar durchstoßenden Balken aus massiver Eiche.

Für die Gästetoilette entwarfen die Planer einen Eichenholzwaschtisch, der die Glasabtrennung zum WC durchdringt und dort ein Fach für Toilettenpapier bietet (ohne Abb.) Im Kinderbad bildet der massive, mit Glasmosaik belegte Tisch auf der anderen Seite der Duschwand eine Ablage. Johannes Kottjé

Buchtipp

Johannes Kottjé: Individueller Innenausbau mit Möbeln. 160 Seiten, 160 Abb. und 120 Pläne. Gebunden, 59,99 Euro. Deutsche Verlags Anstalt, München 2013. ISBN 978-3-421-03886-9

In loser Folge stellen wir in den nächsten Ausgaben drei weitere Projekte des Buches in verkürzter Form vor.