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Eine Frage des Stils

Gestaltung
Eine Frage des Stils

Die Innenarchitektin Ursula Maier beschreibt, wie aus einer repräsentativ im Stil der 80er-Jahre eingerichteten Terrassenwohnung durch die engagierte Auseinandersetzung mit der Lebenskultur und Persönlichkeit der Bauherrin ein Gesamtkunstwerk entstanden ist.

Die Terrasssenwohnung hatte in den vergangenen Jahren schon viele Veränderungen erfahren. Die Einrichtungswünsche der Bauherrin wurden dabei aber nicht ganzheitlich umgesetzt, sondern zum Bestehenden addiert. Im Laufe der Jahre hat sich ihr Stil gewandelt: Die von den 80er-Jahren geprägte repräsentative und dekorative Einrichtung steht stark im Widerspruch zu der Persönlichkeit, die sich in ihrem intimen privaten Umfeld widerspiegeln möchte. Über einen längeren Zeitraum hinweg haben wir Umbauarbeiten vorgenommen – meist wenn die Bewohnerin im Ausland war.

Das Ergebnis entspricht dem neuen Einrichtungsstil unserer Zeit: Einsatz von kostbaren Materialien, die Möbel sind Kunstwerke mit feiner Proportion und originellen Ideen. Sie verbessern die Raumarchitektur. Gute Funktionen sind wichtiger als »Stauraum«. Licht sensibel einzusetzen, ist heute unabdingbar. Die Wohnung hat sich frappierend verändert. Es wird gearbeitet, wo der Platz am schönsten ist. Es gibt einen übergroßen Tisch für die zahlreichen Gäste, Spiegel ermöglichen erstaunliche Raumerweiterungen. Viele Räume zeigen Anklänge an die häufigen Reisen der Bewohnerin: Arbeitszimmer und Sauna mit Bad und Gästebereich sind atmosphärisch japanisch, und im Wohnbereich dominieren indische Farben. Der Stil ist beeinflusst durch fernöstliche Meditationskultur: Buddhas stehen auf fein gestalteten Sockeln, es gibt Klangstein und Gong in der Bibliothek, Steinskulpturen sind in die Tische eingelassen oder auf Metallkonsolen in die Wände integriert.
Eine Schrankwand aus den 70er-Jahren, die wegen des voluminösen Fernsehers den Raum um Kleiderschranktiefe verkleinerte, wurde ebenso wie wulstige Barschränke verbannt. Dafür entstand eine neue Raumarchitektur: Die Wand wird auch hinter den Vitrinen sichtbar und zum Hintergrund für Kunstobjekte. Der Schrank mit Durchreiche zur Küche erweitert den Wohnraum durch Spiegel. Der Schubladenschrank scheint über dem verspiegelten Unterschrank zu schweben. Durch den ebenfalls verspiegelten Gläserschrank werden die Blattvergoldung der Durchreiche und das Makassarfurnier optisch verdoppelt. Bei geöffneter Schiebetüre zur Küche haben Küchenarbeitsplatte und Durchreiche dieselbe Höhe.
Im Bestand gab es auf der Ostseite der Wohnung eine verstümmelte Dachterrasse mit überwucherndem Bambus, der sich bereits unter die Abbdichtung der Isolierung gebohrt hatte. Heute ist diese Morgenterrasse eine Oase für Rückzug und Meditation, eine Pendant zur offenen Südterrasse. Ein japanisch anmutender Leuchtwürfel ist der einzige Schmuck der Holzterrasse, Ausblick und Baumkronen bilden die Kulisse.
Dieser Traumplatz kann wiederum mittels Spiegel von innen gesehen werden – umgekehrt zeigt sich im Spiegel von der Terrasse aus betrachtet der Wohnraum. Die Spiegel sind im Lese- und Meditationsraum als Schiebetüren vor dem Regal angebracht und nicht als Schranktüren zu erkennen.
In sehr vielen Eigentumswohnungen vermisse ich einen wirklich großzügigen Eingangsbereich mit Garderobenschränken (auch für Gäste), Schuhschränken, Platz für Körbe, Schirme, Post und Schlüssel. Auch hier wurden Wände entfernt und die Funktionen verbessert. Und wie in der ganzen Wohnung setzt sich auch hier die Idee fort, Spiegel als Raumerweiterung einzusetzen. Wandschränke werden so zu fortlaufenden Holzwänden, tiefe Garderobenschränke werden ihrer Masse enthoben. Beidseitg der Fenster »verdoppeln« Spiegel die Landschaft. Der Schuhschrank unter dem Fenster ist praktisch eine verbreiterte Fensterbank. Beim Öffnen der Türen wird über einen Kontaktschalter der Innenraum beleuchtet.
Aus dem vormals kleinen Duschbad und der davor liegenden Büroküche ist ein Wellnessbad entstanden. So eine nachträgliche Umfunktionierung birgt allerdings viele Herausforderungen, da in der ehemaligen Küche die Anschlüsse für die Fußbodenheizung und Stromleitungen zusammenlaufen. So muß alles zugänglich bleiben! Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Immer mehr geht es für uns als Planer und Handwerker heute darum, Kunden als Persönlichkeiten ernst zu nehmen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und aufzugreifen. Erst dann erbringen wir eine wirkliche Dienst- und Meisterleistung. Ursula Maier
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