Wie eine Designerin, ein Schreiner und Studenten der HSB Biel ein unmögliches Möbel realisierten – Protokoll einer fruchtbaren Zusammenarbeit.
Die Designerin Christiane Hinrichs lebt in der Schweiz und studierte in Kiel. Sie liebt den weiten Horizont der Ostsee. Dieser Sehnsucht entspringt die Idee eines freitragenden Longboards ohne Zwischenwände und Rückwand. „Über drei Meter Länge? Technisch nicht machbar“, winken verschiedene Hersteller ab. Jetzt nicht aufgeben. Wer stellt sich der Herausforderung?
Ein fünf Meter langer Tisch aus der Kollektion des Schweizer Schreiners Philipp Oswald beeindruckt Hinrichs. Begeistert von der Idee des Longboards, prüft Oswald in seiner Möbelschreinerei Materialvarianten. Diese Experimente führen aber nicht zum Ziel. Wer kann weiterhelfen?
Dr. Maurice Brunner unterrichtet an der Hochschule für Architektur, Bau und Holz in Biel (Schweiz) Bau- und Möbelstatik. Das Spannweitenproblem wird zur Projektaufgabe an der HSB erklärt. Die Designerin, der Handwerker und die Studenten der Hochschule bündeln ihre Kompetenzen.
Die Überraschung: Keine ultraleichte Sandwich-Konstruktion ist die Lösung, sondern Massivholz mit möglichst hohem Elastizitätsmodul, wie Buche oder Eiche. Das E-Modul ist das Maß für die Widerstandsfähigkeit eines Stoffes gegen Formänderung. Die eigentliche statische Idee ist jedoch die „Einspannung“ des Oberbodens. Klammern aus Edelstahl sind fest mit den Seitenteilen verbunden und ragen zirka 100 mm in den Ober- und Unterboden. Seitlich sind Metallstifte angesetzt, die wie Dübel ins Holz greifen. Auf diese Weise wird der Korpus streng im Winkel gehalten.
Ohne die konstruktiven Maßnahmen beträgt die Durchbiegung des Oberbodens 15 mm auf 3600 mm, was optisch sehr deutlich wahrgenommen wird. Die Klammern reduzieren dieses Maß um satte 80 Prozent auf unter 3 mm. Die Holzart ist nur mit zirka 10 Prozent am Gesamteffekt beteiligt.
Das „Hinrichs-Longboard“ wird von Philipp Oswald gefertigt. Zusammen mit Architekten und Designern produziert er im schweizerischen Oberglatt individuelle Lösungen im Möbel- und Innenausbau. Wir werden das Unternehmen in einer der nächsten Ausgaben ausführlich vorstellen. JN
Die Designerin
Christiane Hinrichs studierte nach einer Tischlerlehre Industriedesign an der Fachhochschule Kiel. Heute arbeitet sie als selbstständige Designerin in der Schweiz. Hinrichs ist Mitglied im Schweizerischen Werkbund SWB und Vizepräsidentin der Swiss Design Association.
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»Grisperl« – weniger ist mehr
