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Augen auf und durch

Gestaltung
Augen auf und durch

Das Trendhandbuch zur Möbelmesse im Januar 2007 prognostizierte vier neue Stile (vgl. dds 12/2006, S. 26). Dreht sich die Welt wirklich so schnell? Wie im vergangenen Jahr war Dirk Schellberg für dds in Köln unterwegs.

Dirk Schellberg, Dipl.-Designer, Lehrauftrag an Schulen für Holz und Gestaltung, Garmisch-Partenkirchen

Auch in diesem Jahr waren die IMM und ihre Parallelveranstaltung »Passagen« wieder Pflicht für Tischler und Schreiner mit Inneneinrichtungskompetenz. Die Messe ist so umfangreich, dass man alle Hallen und Ausstellungen an zwei Tagen kaum bewältigen kann. Ein Messevorbereitungsseminar wäre eine Marktlücke!
Nach wie vor sind die Passagen das Eldorado für Designer und manufakturelle Hersteller. War in den letzten Jahren der Stylepark in der alten Eisenbahndirektion ein Treffpunkt von Designszene und Publikum, so fehlte dieser Ort mit seinen vielen kleinen Ausstellern dieses Jahr schmerzlich. Das neue Styleparkkonzept hatte nicht annähernd so viel Flair. Ob die Location »Vulkan.Köln« das Potenzial zum neuen Anlaufpunkt für die Avantgarde bietet, wird sich noch zeigen.
Mein erster Eindruck in den Messehallen: Die Aussteller versuchen, viel Ambiente zu erzeugen. Über Stimmung und Erlebniswelten werden die Möbel verkauft. Dazu gehört nun das richtige Accessoire. Insbesondere Teppiche und Vorhänge stehen dabei im Mittelpunkt. Die Verwendung neuer Materialien wie der vielfältig einsetzbaren textilen Abstandsgewirke oder Neues aus Kunststoff bilden einen weiteren Schwerpunkt. Eine rechtzeitige Spezialisierung auf diese Werkstoffe bietet für Schreiner noch die ein oder andere Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben.
Ausgeschlafen sein sollte, wer mit dem Thema Schlafen Geld verdient. Vom Bio-Produkt bis zur komplexen »Bettmaschine« ist bei Matratze und Co. alles zu finden. Mit einer patentierten Lattenrostidee versucht die Firma Schlafteam Kunden zu gewinnen. Die ornamental geratene Federung ist fast zu schade, um sie unter Auflagen zu verstecken. Komfortables Schlafen bietet nach wie vor gute Möglichkeiten für individuelle Schreinerlösungen.
Die für den Möbelschreiner interessanten Entwicklungen lassen sich nicht ohne weiteres als roter Faden erkennen. Tot geglaubte leben länger, als Newcomer wird die Kiefer postuliert. Nussbaum, auch in dritter Wahlsortierung und möglichst dick, bleibt beliebt.
Dickes wird langsam dünner
Die Dimensionen der »Massivmöbler« dürften sich in den kommenden Jahren verschlanken. Elegant war diese Materialschlacht ohnehin selten – eigentlich nur zu ertragen, wenn die Aufstellungsorte ebenso monumental waren wie die Möbel. Da das wohl immer seltener der Fall sein wird, erwarte ich eine Trend-umkehr. Der Möbelproduzent Varangis aus Griechenland, das nicht eben für sein Design bekannt ist, hat bemerkenswerterweise diesen Trend schon erkannt. Der konsequente Einsatz von Freiform-CNC-Technologie macht seine sinnlich eleganten Möbel erst möglich.
Stilistisch ganz anders handhabt Woodloops Massivholz. Die Möbel werden zu Skulpturen. Zur Marketingstrategie der Firma gehört, dass alle verarbeiteten Hölzer das FSC-Siegel für nachhaltige Waldbewirtschaftung tragen. Solche Siegel werden für Tischler und Schreiner eine immer größere Rolle spielen. Also warum nicht damit werben?
In der Kollektion von Yask finden sich neben Designs, die an die Ritter der Tafelrunde erinnern, auch schöne Konstruktionsdetails und Hinweise darauf, dass die Querschnitte wieder schlanker und eleganter werden.
Bei Plattenmöbeln geht der Trend zum Ornament weiter. Bedruckte Oberflächen sind verbreitet, dreidimensionale seltener. Die Firma Desktop Design bietet individuelle Bedruckungen von Tischplatten an, die ähnlich den Laminatplatten sehr widerstandsfähige Oberflächen aufweisen. Die Ornamentwut der Designer macht auch vor Stilmöbeln nicht halt. Der Gegensatz zwischen Louis-XV-Kopie und Bemalung bei der Firma Campana ist so grotesk, dass er schon beinahe wieder gut ist.
Multimedia ist noch immer ein Schwerpunkt. Die Vielzahl von Systemen in der Unterhaltungselektronik verlangt individuelle Lösungen. Eine wachsende Anzahl von Komponentenlieferanten stellt die nötige Hardware für Bildschirmlifte und mehr.
Badezimmerausstattungen waren entgegen meinen Erwartungen wenig vertreten. Auf den Passagen entdeckte ich die Firma Plan B mit ihren massiven Holzwaschbecken. Sicherlich ein eigener Weg, sich mit dem Thema Badezimmer auseinander zu setzen, der auch viel Know-how verlangt. Die Oberflächentechnik stammt aus dem Bootsbau. Für mich immer wieder von Interesse sind die Möbelhersteller aus dem Fernen Osten, die zunehmend mit spannenden Kollektionen aufwarten, wie dieses Jahr die Firma Plato aus Thailand.
Schwere Trendkost
Das diesjährige Trendhandbuch der Messegesellschaft ist wieder einmal schwere »Trendkost« und prognostiziert vier neue Stile. Dreht sich die Welt wirklich so schnell? Und wo sind die Auswertungen darüber, was aus den Trendvorhersagen der letzten Jahre geworden ist? Einiges ist ganz sicher beim Alten geblieben, anderes hat sich nicht durchgesetzt. Wer also von diesen »Trendvorhersagen« profitieren will, sollte über die zwei Vorgängerbücher verfügen und die Schnittmenge mit eigenen Erfahrungen bilden, um seine Entwürfe für die Zukunft auszurichten. Nichtsdestotrotz ein Übersetzungsversuch:
  • Der Begriff »Heirloom Culture« steht für die Generation der Erben, die sich auf traditionelle Werte besinnen. Altvertrautes wird mit Neuem gemischt, Hauptsache, das Leben verlangsamt sich. Letztes Jahr hieß das noch »Time as a Value«.
  • »New Hybrides« bedeutet, komplizierte Wohnsituationen werden durch geschickte Kombination von Material und Funktion vereinfacht. Möbel werden leicht und multifunktional.
  • »Size Matters«, wörtlich übersetzt: »Größe ist von Bedeutung«, steht wohl für das Luxussegment, denn was ist in Ballungsgebieten teurer als zentrumsnahes Wohnen? Wer sich große Möbel leistet, braucht auch den entsprechenden Wohnraum. Von allem darf es etwas mehr sein.
  • »Design as Art« bedeutet die Individualisierung der eigenen Einrichtung. Entweder durch Unikate oder zumindest durch Produkte mit Geschichte und namhaften Designern im Hintergrund. Auch Massenprodukte, denen man mit persönlichem Dekor seinen eigenen Stempel aufdrücken kann, spielen bei diesem Trend eine große Rolle.
Was wirklich Trend wird, weiß vielleicht der Nachwuchs, der in Halle 1 unter dem Label D3 Design Talents ein sehenswertes Forum hatte. Für die Branche ist das eine wichtige Talentshow, für die jungen Gestalter eine Chance. So war der 2006 von Edelweiss Industrialdesign vorgestellte Sofaentwurf »Knoz« dieses Jahr schon bei einem namhaften Hersteller auf dem Stand zu sehen.
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