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»Zu wenig ist nichts«

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»Zu wenig ist nichts«

Hermann Straub hat sich bei Rekonstruktionen für den Film »Elser« mit Schreinerarbeiten der 1920er-Jahre befasst. Die Bauhausmaxime »Weniger ist mehr« stellt er kritisch in Frage.

Hermann Straub, Schreinermeister, Stockdorf

Ich habe letztes Jahr etliche Requisiten für den Film »Elser« in handwerklicher Manier der 1920er-Jahre gefertigt. Vor allem die Werkzeugkiste des Georg Elser, zwei Kinderwiegen, einen Ständer für eine Hakenkreuzstandarte und diverse Stöcke zum Steckerlfischgrillen am Bodensee. Außerdem Reparaturen an Ausstattungsstücken und die Farbgebung an einem neu geschnitzten Stammtischschild.
Ich hatte große Freude, mich in das Leben eines Schreiners der 1920er-Jahre hineinzudenken und die Gestaltung und die Verfahren dieser Zeit nachzuempfinden. Für mich ist tatsächlich das Leben eines normalen Schreiners damaliger Zeit noch interessanter, als das politische Leben des Georg Elser!
Im Vergleich mit der heutigen Zeit finde ich es richtig, dass sich das Handwerk weiterentwickelt hat, denn auch ich möchte nicht mehr alles mit der Hand aushobeln müssen. Aber die nahezu ins Perverse getriebene Schlichtheit heutiger Möbel empfinde ich als einen enormen Rückschritt. Das zum geflügelten Wort gewordene Zitat »Weniger ist mehr« von Mies van der Rohe führt zunehmend zu einem »Wenigkeitswettrennen«. Aber zu wenig ist nichts! Es wird schlicht keine Schöpfungshöhe mehr erreicht. Ein Rechteck ist eine geometrische Form, noch keine Gestaltung – und ein Quadrat hat nicht einmal eine Proportion. Man muss aus den schlichten Grundformen erst etwas machen und nicht damit aufhören, wenn sich die Form nicht mehr ohne Verstandesleistung am Computer mit der Maus aufziehen lässt.
Solche Gedanken kommen mir, wenn ich die kaum hundert Jahre alten Arbeiten von Schreinern ansehe. Diese Möbel waren nicht überdekoriert und doch mit Würde ausgestattet, mit Respekt vor der Arbeit und dem Material. Ich empfehle, doch öfter einmal in den »Spannagel« zu schauen. Man muss es nicht genauso machen – aber man muss daraus etwas lernen.
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