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CNC-Ülu – nein danke

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CNC-Ülu – nein danke

Der Modellversuch zur Einführung einer überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung in die CNC-Technik hat schon vor seinem Start für Aufregung gesorgt, umso mehr nach der Evaluierung: Wer für die Ülu ist und wer dagegen – und warum.

Über neunzig Prozent der Teilnehmer an dem einwöchigen Lehrgang »Einführung in die Programmierung von und das Arbeiten an CNC-Bearbeitungsmaschinen« haben das Angebot bei der Evaluierung positiv bewertet. Auch 73 Prozent der Betriebe sprachen sich für die Weiterführung des Lehrgangs aus, der als Modellversuch in Hamburg und im Saarland stattfand. Auf dieser Basis könnte die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (Ülu) CNC in die »Regelförderung« übernommen werden, bei der die Kosten zu je einem Drittel von Bund, Land und Betrieben getragen werden – wenn sich Tischler Schreiner Deutschland (TSD) nicht noch vor Ende des Modellversuches gegen die Regelförderung ausgesprochen hätte. Das klingt schon paradox: Ursprünglich hatte TSD den Modellversuch nämlich unterstützt! Wie ist das zu verstehen? Grundsätzlich liegen zwei Modelle zur CNC-Ausbildung auf dem Tisch: Die Vermittlung der Inhalte über drei Jahre hinweg in der Berufsschule und der überbetriebliche Lehrgang. Beide haben Gegner und Anhänger. Eine Mehrheit der Delegierten aller Landesverbände hatte sich noch vor der Auswertung des Modellversuchs gegen eine CNC-Ülu ausgesprochen und damit den offenen Kurs von TSD in dieser Frage korrigiert, obwohl die Ülu an sich ein akzeptiertes Instrument der Ausbildung ist.

Theorie und Praxis der Ülu
Die Ausbildung zum Tischler und Schreiner erfolgt in Deutschland in der Regel dual in Betrieb und Berufsschule. Hinzu kommen die überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen: Sie sollen die fortschreitende Spezialisierung und die damit einhergehenden Einschränkungen der Ausbildungsfähigkeit der Betriebe auffangen. So ist ein Qualitätsstandard der Ausbildung über die betrieblichen Einseitigkeiten hinweg sichergestellt.
Die »Überbetriebliche« hat praktische Vorteile, die dem Einzelbetrieb zugute kommen: Viele Auszubildende sind zu Beginn ihrer Ausbildung unter 18 Jahre alt und fallen damit unter das Jugendarbeitsschutzgesetz. Das regelt auch die Unterweisung über Gefahren, denen die Auszubildenden im Rahmen ihrer Beschäftigung ausgesetzt sind. Bei den Tischlern und Schreinern sind das insbesondere Arbeiten an Maschinen und im Lackierraum. Die überbetrieblichen Lehrgänge »Tischler Schreiner Maschinen« (TSM) und »Tischler Schreiner Oberfläche« (TSO) decken deshalb die sicherheitstechnische Unterweisung ab, die sonst vom Betriebsinhaber oder einem mit der Ausbildung betrauten Mitarbeiter gegeben werden müssten – und zwar immer dann, wenn Azubis erstmals mit einer als gefährlich eingestuften Maschine oder mit gefährlichen Stoffen in Kontakt kommen. Daher sind die insgesamt fünf Wochen innerhalb von drei Jahren umfassenden Lehrgänge in den meisten Innungen verpflichtend eingeführt und werden akzeptiert, wenn auch zähneknirschend – die Betriebe müssen während der Ülu nämlich nicht nur auf die Arbeitskraft ihrer Azubis verzichten, sondern im Rahmen der oben genannten Regelförderung auch für ein Drittel der Kosten des Lehrgangs aufkommen.
Vier Standpunkte
Unstrittig ist, dass die C-Technik (CNC und CAD) in der bundeseinheitlichen Ausbildungsordnung aus dem Jahr 2006 einvernehmlich von allen am Verfahren beteiligten Parteien als fester Bestandteil verankert wurde. Kontrovers diskutiert wird von den Landesverbänden aber die Notwendigkeit, CNC-Grundfertigkeiten in einer Ülu zu vermitteln:
  • So gibt es Landesinnungsverbände wie Bayern, Niedersachsen oder Baden-Württemberg, die ein flächendeckendes Berufsgrundbildungsjahr anbieten und auch einen Kurs zur CNC-Fachkraft an den Berufsschulen etabliert haben. Sie sehen in einer möglichen Ülu zum einen die Konkurrenz zu ihrem Angebot, das sie mit ihren Schulträgern abgestimmt haben. Zum anderen wird angeführt, die auf eine Woche konzentrierte Ülu sei schon deshalb fragwürdig, weil auf die kurze Unterweisung keine Anwendung und Festigung des Gelernten folge, wenn es im Ausbildungsbetrieb keine CNC-Maschine gebe.
  • Dann gibt es die Landesinnungen in finanzschwächeren Bundesländern, die kein BGJ anbieten können oder wollen, deren Schulen aber aufgrund fehlender Haushaltsmittel auch nicht über eigene CNC-Bearbeitungsmaschinen verfügen und damit die CNC-Fachkraft nicht ausbilden können. Hier wäre die CNC-Ülu tatsächlich die einzige Möglichkeit, die in der Ausbildungsordnung geforderten Inhalte flächendeckend zu vermitteln und so den Betrieben Rechtssicherheit zu geben.
  • Genannt werden müssen auch die Landesinnungen, die sich aus Prinzip gegen jede weitere Ülu wenden, da sie die Nachteile durch die Abwesenheit der Azubis im Betrieb und die Kosten des Lehrgangs generell höher bewerten als einen möglichen Nutzen.
  • Die Bayern sind darüber hinaus der Ansicht, die Übernahme einer Ülu in die Regelförderung könne automatisch zu ihrer verpflichtenden Einführung durch die Handwerkskammern führen. Eine fakultative Regelförderung ist in der Tat nicht vorgesehen: Es gibt sie entweder für alle Bundesländer oder gar nicht. Ob der einzelne Kammerbezirk dann die wirtschaftlich interessante Förderung in Anspruch nimmt, entscheidet zwar die jeweilige Kammervollversammlung aller Gewerke – das jedoch womöglich auch gegen den Willen der Schreiner. Daher war den Bayern das einstige »Ja« von TSD zum Modellversuch ein Dorn im Auge – der nach NRW zweitstärkste Landesverband will die Regelförderung auf jeden Fall verhindern. Ein Ärgernis zum Beispiel für das kleine Saarland, das ein Berufsbildungszentrum für die überbetriebliche Unterweisung hat und die CNC-Ülu favorisiert.
Der Bundesinnungsverband TSD ist letztlich der Mehrheitsentscheidung der Mitglieder verpflichtet (vgl. Kasten). Für diejenigen, die eine Regelförderung der CNC-Ülu begrüßt hätten, ist das Thema deshalb nicht ausdiskutiert. JN

Standpunkt »CNC über die gesamte Ausbildung vermitteln«
Tischler Schreiner Deutschland nimmt Stellung zu einem offenen Brief zur CNC-Ausbildung.
In einem offenen Brief an Tischler Schreiner Deutschland (TSD) hatte Christian Zander, Gewerbe Akademie Freiburg, im Juli 2012 u. a. den Beschluss von TSD gebrandmarkt, der möglichen Regelförderung einer CNC-Ülu unabhängig vom Ausgang des noch nicht evaluierten Modellversuchs eine Absage zu erteilen und eine öffentliche Diskussion gefordert: Andere Gewerke zeigten, dass verschiedene Kurstypen überbetrieblicher Ausbildung möglich seien (fakultativ und verpflichtend) und von den Betrieben auch angenommen würden. Die Gefahr einer verpflichtenden Einführung gegen den Willen des Gewerks sei absurd. Darauf hat TSD nun in einer öffentlichen Stellungnahme reagiert. Dort heißt es u. a.: »In dieser Frage haben wir mehrfach in unseren Berufsbildungsgremien und der Mitgliederversammlung die mehrheitliche Entscheidung getroffen, die CNC-Ausbildung aufgrund ihrer hohen Bedeutung nicht in einem fünftägigen Ülu-Kurs zu konzentrieren, sondern während der gesamten Ausbildungszeit integrativ im dualen System zu vermitteln. Damit können nach unserer Auffassung Kenntnisse langfristig und fundierter erworben werden.« Anders als die Befürworter einer CNC-Ülu sieht TSD ein regional stark unterschiedliches Interesse der Betriebe an der CNC-Ülu durch die Evaluation des Modellversuchs, der im Saarland und in Hamburg stattfand, bestätigt. Allein das führe die »angestrebte langfristige und fundierte Kenntnisvermittlung« schon ad absurdum. Das Angebot freiwilliger zusätzlicher CNC-Bildungsmaßnahmen stehe den Einrichtungen dagegen offen und werde von TSD ausdrücklich begrüßt. JN
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