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»Ein 15-Stunden- Arbeitstag ist normal«

Marketing & Betriebsführung
»Ein 15-Stunden- Arbeitstag ist normal«

Der Weg in die Selbstständigkeit ist mühsam. Zuweilen gleicht er eher einem verschlungenen Pfad mit vielen Verzweigungen als einer geraden Straße. Ein Beispiel aus dem Leben, notiert von Michael Eckert.

Kurz nach der Wende kommt Mario Niemand zum ersten Mal in den Westen. Er will sich informieren, ob sein in Dresden begonnenes Studium der Holztechnik im Westen anerkannt wird. Das ist jedoch nicht der Fall. So beginnt er eine Ausbildung zum Holzmechaniker bei der Gustav Bergmann Möbel GmbH in Lage, Ostwestfalen-Lippe. Er hängt das Fachabitur an und geht dann nach Rosenheim, um an der dortigen FH Holztechnik zu studieren. Im Jahr 2000 ist er wieder zurück in seinem Ausbildungsbetrieb, beginnt zunächst als Assistent des technischen Leiters und wird schließlich selbst Leiter der Fertigung.

Bis hier hin ist es eine zielstrebige, erfolgreiche Geschichte. 2007 jedoch geht das Traditionsunternehmen Bergmann in die Insolvenz und wird im Jahr darauf abgewickelt. Mario Niemand wird arbeitslos. 2009 fasst er den Entschluss, sich selbstständig zu machen.
Starthilfe vom Staat
Als Arbeitsloser, der sich selbstständig machen will, kann Niemand den sog. Gründungszuschuss beantragen. Dieser fasst die früheren Einzelmaßnahmen Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss (»Ich-AG«) zusammen. Um den Zuschuss in Anspruch nehmen zu können, muss die Aufnahme der Selbstständigkeit mindestens 90 Tage vor dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes erfolgen.
Der Gründungszuschuss besteht aus der Fortzahlung des ALG für neun (statt drei) Monate sowie einer zusätzlichen monatlichen Pauschale von 300 Euro. Diese Pauschale kann noch einmal um sechs Monate verlängert werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit nachgewiesen wird. Das ist für Mario Niemand kein Problem. Doch die Zeit vergeht schnell, im August dieses Jahres läuft der Zuschuss aus.
In der Werkstatt und im Netz
Was hat sich also getan, in diesem einen Jahr der Förderung seit der Existenzgründung? Mario Niemand war buchstäblich Tag und Nacht beschäftigt. Mit den acht Stunden, die er täglich in der Tischlerei steht, ist es nämlich nicht getan. Abends kümmert er sich um Buchhaltung und Kundenakquisition. »Ein 15-Stunden-Arbeitstag ist im Moment normal«, so seine Erfahrung
Mit der Gründung baute Niemand eine Homepage auf (www.moebelmanufactur.com). Er bediente sich eines von seinem Provider angebotenen Baukastens für einen E-Shop. »Aufwand und Kosten halten sich in Grenzen«, meint Niemand. Rund 100 Stunden hat er für die Erstellung des Internetauftrittes benötigt, die tägliche Sichtung des E-Shops sowie E-Mails kosten ihn noch einmal ca. 30 Minuten und die monatlichen Kosten belaufen sich auf 20 Euro. Verkäufe allerdings hielten sich in Grenzen, seien marginal. Zwar stiegen die Zugriffe auf die Seite bei Presseveröffentlichungen anlässlich der Existenzgründung auf bis zu 300, pendelten sich aber wieder bei ca. 40 pro Tag ein.
Einen ersten Erfolg konnte Mario Niemand auf der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne verbuchen. Sein zerlegbares Bett aus der Serie »Built in a moment« wurde in den Messewegweiser »Hit-Guide« aufgenommen. Der Wegweiser stellt spektakuläre und pfiffige Produktideen von kleinen und großen Unternehmen vor. Das Bett kann ohne Werkzeug in wenigen Minuten auf- und abgebaut werden. Auf der Messe selbst war Niemand mit einem Stand präsent. Die Kosten von rund 10000 Euro ließen sich dank eines Zuschusses der BAFA gerade so schultern. »Ich konnte erste wichtige Kontakte knüpfen«, so sein Fazit des Messeauftritts im Januar.
Seine Werkstatt in Bielefeld-Sennestadt teilt Niemand übrigens mit einem anderen Tischler. Das hält die Kosten gering und wenn eigene Aufträge knapp sind, kann man zur Not beim Kollegen mitarbeiten.
Im März diesen Jahres entschloss sich Mario Niemand ein Ladengeschäft in Oerlinghausen, einer Kleinstadt fünf Kilometer vor Bielefeld, einzurichten. Mit der Beteiligung an städtischen Festen wie einem Kinderstadtfest oder einem Parcours der Werbegemeinschaft versucht er ins Geschäft zu kommen. Die Ladenöffnungszeiten beschränken sich auf Donnerstag bis Samstag. Die Ladenmiete ist im Moment noch recht gering und damit bezahlbar, fürs nächste Jahr ist jedoch eine Erhöhung angekündigt. Personal für den Laden kann sich Niemand nicht leisten: »Freunde und Bekannte helfen oft unentgeltlich aus.«
Zukunftspläne
Die Ziele für die nahe Zukunft sind konkret und mehr als eine mittelfristige Planung macht wenig Sinn. Mario Niemand will sich stärker um Händlerkontakte für seine »serientauglichen« Produkte kümmern. Um den Showroom attraktiver zu gestalten, soll die Kooperation mit regionalen Kunsthandwerkern ausgebaut werden und das Angebotsspektrum um weitere Wohnaccessoires ergänzt werden. Er wird weiter an allen Fronten gleichzeitig kämpfen, ob es nun acht, zwölf oder 15 Stunden am Tag dafür braucht. Michael Eckert
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