Ausbildung
Nomen est omen
Benno Stadler nennt sein Meisterstück prosaisch »Kleiderschrank mit Leuchte«. Der unvoreingenommene Betrachter sieht darin eher ein Flurmöbel – oder, wie unser Autor Axel Müller-Schöll, eine besondere Form der Visitenkarte.
Prof. Axel Müller-Schöll Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design Halle
Hand aufs Herz: als Sie die Seite aufgeschlagen haben, dachten Sie da an einen Kleiderschrank? Vermutlich eher an ein Garderoben-möbel, sofern der Nutzer Jackenträger ist. Aber eigentlich ist dieses Objekt – und das vor allem anderen – eine Art dreidimensionale Visitenkarte, mit der sich ein Meister präsentiert: Er kann mit dem Computer umgehen und hat sich so eine Gestaltungsebene erschlossen, die erst mit den CNC-Bearbeitungszentren in die Wirtschaftlichkeitszone geführt werden konnte – Umsetzen amorpher Formen, ausgefallener Materialien und hochpräziser Fügungen. Die Rede ist hier nicht von einem neuen Typ des Schreinermeisters, sondern vielmehr von der Wiederbelebung eines Genius, der womöglich ein wenig außer Mode gekommen war. Etwas grob geschnitten kann man die Typologie der Meister in drei Kategorien ordnen: Erstens den Funktionalisten – er beobachtet genau, hinterfragt jeden Handgriff und sieht sich als dienstleistender Entwicklungshelfer bei der Gestaltung eines reibungslosen Alltags. Zweitens der Skulpteur – ihm liegt am Erzählwert des Objektes, das überrascht, unterhält und das man u.a. auch benutzen kann; er überzeugt alle anderen mit dem schlagenden Argument, dass attraktive Frauen High Heels auch nicht in erster Linie aus Gründen der Bequemlichkeit tragen. Schließlich drittens (dazu würde ich Benno Stadler zählen) der Konstrukteur – für ihn zeigt sich Qualität im Detail, er ist mathe- matisch und geometrisch beschlagen, Mechanik ist für ihn der Katalysator für Eleganz und es gibt nichts von der Stange, was sich durch des Meisters Hand nicht noch exquisiter fügen ließe. Ein gutes Möbel hat etwas von allen drei Gattungen – ein sehr gutes von einer der drei noch ein wenig mehr!
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