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Kür auf dem Wasser - dds – Das Magazin für Möbel und Ausbau

Meisterstücke
Kür auf dem Wasser

Patrick Baschner hat sich im Rahmen seiner Meisterprüfung an der Fachschule für Holztechnik und Gestaltung Hildesheim den Traum von einem selbst gebauten Kanadier erfüllt. Sein Bericht zeigt, wie tief er sich dazu in die neue Materie eingearbeitet hat.

Patrick Baschner

Vor dem Bau eines Kanus steht die Frage nach Kajak oder Kanadier: Ein Wildwasserkajak ist möglichst kurz, um enge Manöver durchführen zu können. Es bietet keinen Platz für Gepäck und ist nicht für längere Touren geeignet. Tourenkajaks zeichnen sich durch ein geschlossenes Deck aus, der Schwerpunkt ist durch die Sitzposition relativ weit unten. Oft ist ein Ruder angebracht, mit dem sich besser Kurs halten lässt. Bei einem Kanadier liegt der Schwerpunkt weiter oben. Er ist breiter, um genügend Stabilität im Wasser aufzuweisen – so steht auch mehr Stauraum zur Verfügung und das offene Deck gewährt mehr Bewegungsfreiheit als bei einem Kajak. Der Kanadier benötigt durch das Fehlen eines Ruders eine bestimmte Länge, um kursstabil zu bleiben – so finden hier auch mehrere Personen Platz.
Ich habe mich für den Bau eines Kanadiers in traditioneller Leistenbauweise entschieden. Hier wird zunächst ein Bock erstellt, auf dem sich die Mallspanten befinden. Sie sind so positioniert, dass sich an ihnen der Rumpf erstellen lässt. Dazu nehme ich profilierte Leisten von 6 x 20 mm, biege sie in Form und klemme sie mithilfe von Zwingen über die ganze Länge an jeden Mallen. Auf diese Weise verleime ich pro Arbeitsgang drei bis vier Leisten übereinander. Wenn alle Leisten verleimt sind und der Rumpf geschlossen ist, können die Mallen entfernt werden. Nachdem die Übergänge nachgearbeitet sind, wird der komplette Rumpf von innen und von außen mit Glasfasergewebe und Epoxidharz überzogen – so ist das Holz bestens geschützt und dennoch zu sehen. Zum Schluss werden die massiven Innen- und Außensteven, das Deck und die Duchten sowie der Sitz angepasst und am Rumpf befestigt.
Die Form bestimmt die Funktion
Jedes der vielen Elemente der Rumpfkontur hat großen Einfluss auf das Fahrverhalten. Sie sollten daher fein aufeinader abgestimmt sein. Es macht einen großen Unterschied, ob man seine Touren in wildem Gewässer, auf offenem Meer, einem See oder in einem ruhigen Fluss bestreitet. Durch den eigenen Entwurf kann auf alle Eigenschaften des Kanus Einfluss genommen werden. Der Boden ist für die meisten Fahreigenschaften entscheidend: Ein flacher Boden lässt mehr Zuladung zu und das Wasser von seitlichen Wellen schwappt nicht so schnell über, jedoch kann das Boot durch die hohe Verdrängung schnell kentern. Bei einem runden Boden hat es die geringste benetzte Oberfläche, wodurch einfacher höhere Geschwindigkeiten zu erreichen sind. Dadurch kann allerdings weniger zugeladen werden und Wasser schwappt schnell über die Seiten. Ein flach gekrümmter Boden ist für leichte Boote ein guter Kompromiss. Für meinen Kanadier kombiniere ich die flache Krümmung mit einem V-Boden. Ein flacher V-Boden erhöht zwar die benetzte Oberfläche, doch das V wirkt auch wie ein Kiel und hält das Boot besser auf Kurs. Die Kielformen reichen von komplett geraden Kielen bis zu extrem gebogenen. Je stärker der Steven einfällt, desto kürzer die Wasserlinie. Bei zu stark einfallenden Steven wird die Windangriffsfläche zu groß, sodass man stark gegenlenken muss, was nur unnötig Kraft kostet. Ein mäßig einfallender Steven verkürzt die Wasserlinie nur etwas, dadurch lässt sich leichter die Richtung wechseln.
Immer geht es darum, aus den Vorstellungen des perfekten Kanadiers eine Konstruktionszeichnung zu erstellen. Besonders wichtig ist der Spantenplan, nachdem die Mallen gefertigt werden, die zum Bau des Rumpfes erforderlich sind. Ohne jahrelange Erfahrung ist es fast unmöglich, ein Kanu selbst zu konstruieren. So habe ich einen Plan ausgewählt und die Spanten so umgeändert, dass sie meinen Ansprüchen möglichst nahe kommen.
Massive Anbauteile
Einige massive Bauteile ergänzen den Rumpf des Kanadiers. Die Weger verleihen im Stabilität, haben aber noch weitere Funktionen: Der Außenweger fängt Spritzwasser ab und schützt den Rumpf bei seitlichen Kollisionen. Am Innenweger werden die Sitze befestigt. Ausklinkungen an der Rumpfseite erleichtern das Ablaufen von Wasser, wenn das Boot umgedreht ist. Außerdem sind sie praktisch, um Gegenstände zu befestigen. Die Weger werden zu den Enden verjüngt, sodass sie sich harmonisch in das schlanke Ende des Kanus einfügen.
Das massiv mit zusammenlaufender Maserung verleimte Deck hält die Seiten des Kanus an Bug und Heck zusammen, Duchten sorgen in der Mitte für Stabilität. In diesen Kanadier werden zwei Sitze eingebaut. Weil mein Kanu für mehrtägige Touren konzipiert ist, sollen die Sitze bequem und zugleich widerstandsfähig sein. Ich habe sie daher mit breiten, gewebten Gurten bespannt, welche die gedübelten Verbindungen der Rahmenhölzer verdecken. Die Sitze werden mit verdeckten Gewindeschrauben am Innenweger befestigt. Als Bespannung kämen alternativ auch Hartholzleisten, Rohrgeflecht, Sperrholz oder Lederschnüre in Frage.

Bücher

Ted Moores: Canoecraft – Die Kunst, ein Kanu zu bauen. Von der Linden, 2002. ISBN-13: 978-3926308085
Ted Moores: KayakCraft – Leistenbauweise für hochwertige Kajaks. Von der Linden, 2005. ISBN-13: 978-3926308092 (zur Zeit vergriffen)
Gil Gilpatrick: Building a Strip Canoe. Fox Chapel Publishing, 2011. ISBN-13: 978-1565234833 (Englisch)
Susanne Van Leuven: Illustrated Guide to Wood Strip Canoe Building. Schiffer Pub Co, 1998. ISBN-13: 978-0764305375 (Englisch)
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