Meisterstücke tragen nicht nur die Signatur derjenigen, die sie erschaffen haben, sondern immer auch die des Kontextes, in dem sie entstanden sind. In manchen Meisterschulen hat sich ein gewisser Stil des Hauses etabliert, der nicht etwa vorgegeben wäre, sondern sich ständig erneuert. Wer an welcher Schule landet, ist nicht nur eine Entscheidung, die aus rein praktischen Gründen getroffen wird, sondern auch eine Typfrage! Von einer bestimmten Handschrift der Meisterschulen zu sprechen, ginge vielleicht zu weit, aber der Blick auf die Arbeiten, die an einer Schule entstehen, kann durchaus Tugenden offenbaren, die an diesem Ort besonders gepflegt werden.
Thomas Bauer hat sein Sideboard in Rüster als Blickfang im Eingangsbereich konzipiert. Der Korpus ist aus furnierter Dreischichtplatte mit Anleimern auf Gehrung gefertigt und rahmt die einschlagende Front aus Schubkästen mit linoleumbelegten Doppeln und einer Tür mit dekorativen massiven Aufdoppelungen. Sie sind auf eine Trägerplatte geklebt, die umlaufend als Schattennut gefälzt ist. Der Richtungswechsel der verschachtelten Formate setzt das expressive Holz in Szene. Vier spitzwinkelige liegende Dreiecke, die in der Mitte zusammenlaufen, bilden das Gestell.
Florian Grohmann hat aus massivem Nussbaum einen stummen Diener geschaffen, dessen Gestalt an ein Wikingerschiff erinnert: Mit einem Segel aus der abgelegten Kleidung des Tages fährt es in die Nacht; leger an den Mast gelehnt, lassen sich Hemd und Hose am nächsten Morgen wieder anlegen. Das Stück ist handwerklich eine Kür: Gestellteile sind um 45° gedreht, Zargen und Sprossen V-förmig ausgeklinkt. Die geschweiften Friese sind über Dampf gebogen, ebenso wie die hornförmigen Querstücke am Mast, deren Enden konisch gefräst sind. Sie bilden einen sogenannten Teufelsknoten, der im Kleinen auch als Griff des exponierten Schubkastens am Mast dient. Um längere Kleidungsstücke aufhängen zu können, ist die Sitzplatte rechts hinten abgeschrägt. Sie ist in der Mitte getrennt und kann über eine eingesetzte Ahornfeder quellen und schwinden. Die Gratleisten zur Flächensicherung nehmen auch die seitlichen Kulissen der Schubkästen auf.
Stefan Pröll greift mit seinem »Bretterstoß« aus schwarzer MDF und Weißtanne ein beliebtes Thema auf. Der Korpus ist auf Gehrung verleimt und innen mit durchgehendem Mittelboden sowie Mittelseiten unterteilt. Die an der Längsseite ansetzenden Bretter sind so ausgeklinkt, dass sie 30 mm auftragen. An den Stirnseiten sollen die unterschiedlichen Abstände der Abschnitte von Hand aufgestapelte Bretter darstellen. Dazwischen befinden sich angedeutete Stapelleisten in gleicher Flucht wie die bodenliegenden Kanthölzer. Insgesamt sind fünf Schubkästen integriert, davon drei an der Längsseite und zwei stirnseitig.
dds-Redakteur Johannes Niestrath war nach seiner Tischlerausbildung und Gesellenjahren im Orgelbau selbst an der Meisterschule Ebern. Es folgten zwei Jahre Volontariat bei dds und der Rest ist Geschichte.
Steckbrief
Die Meisterschule Ebern bereitet in 18 Monaten Vollzeit auf das Meistersein im Schreinerhandwerk vor. Schulgeld wird nicht erhoben. Mit 60 Schülerinnen und Schülern gehört die Schule zu den kleinen Fachschulen in Bayern. Die Atmosphäre ist familiär, ein barrierefreies Wohnheim mit 20 Wohneinheiten ist angegliedert.