Nur keine Experimente ist ein vermeintlich guter Rat, den Ausbilder werdenden Gesellen für das Gesellenstück mit auf den Weg geben. Es gibt diese Maßgabe: besser auf Nummer sicher zu gehen und auf keinen Fall etwas zu probieren, was man noch nie zuvor gemacht hat. Was ausreicht, ist schließlich das legendäre Nachtschränkchen, ein Minimalstück mit Tür und Schubkasten. Und auch das kann durchaus interessant gestaltet sein! Diese Haltung ist keinesfalls unberechtigt. Es kommt im Einzelfall darauf an, was sich jemand realistisch zutrauen kann. Darüber sollte man tatsächlich nicht hinausgehen. Wenn das mehr ist, als das Nachtschränkchen, steht einer Kür aber nichts im Wege. Gerade das Experiment hat im Wettbewerb Gute Form in NRW Tradition – und wir verdanken dieser Experimentierfreude wunderbare und großartige Gesellenstücke, die auch bei diesem Landesentscheid wieder zeigen, dass Handwerk noch mehr kann, als der hervorragende Standard auf dem handwerklichen Niveau der Leistungswettbewerbe zeigt. Begabte Auszubildende, die begriffen haben, dass die Ausbildung zum Tischler und Schreiner das großartige Werkzeug an die Hand gibt, gestalterische Ideen adäquat in Form und Material umzusetzen, werden sich nicht darauf beschränken, am Ende ihrer Ausbildung ein Pflichtstück abzuliefern. Sie werden ihren Fähigkeiten gemäß weit darüber hinaus gehen wollen. Der Richtwert von 80 Stunden sollte sie dabei nicht ausbremsen. Es wäre absurd, herausragende Arbeiten mit dem Standpunkt verhindern zu wollen, Gesellenstücke seien keine Meisterstücke. Weitere Gesellenstücke aus NRW
dds-Redakteur Johannes Niestrath war als Mitglied der Jury im Landeswettbewerb Gute Form NRW in Essen vor Ort und begeistert von der sichtbaren Freude der Gesellen an Ems, Rhein und Ruhr, ihre Fähigkeiten auszureizen.
Steckbrief
Die Gute Form wird jährlich als dreistufiger Wettbewerb auf Innungs-, Landes- und Bundesebene ausgerichtet. Alle ersten und zweiten Landessieger können mit ihrem Gesellenstück auch am Bundeswettbewerb teilnehmen, der am 14. März 2020 auf der Internationalen Handwerksmesse IHM in München entschieden wird.