Das Gesellenstück ist eine Gelegenheit, sich und anderen zu zeigen, was man in der Ausbildung gelernt hat. Wer sich dabei von den handwerklichen Verbindungen inspirieren lässt, geht einen sicheren Weg: Die sauberen Zinken, Schwalben und Zapfen kommen bei einfachen Möbelformen in Massivholz meist schön zur Geltung. Leicht gerät man aber auch in Versuchung, zu viele Ideen an einem Möbelstück umsetzen zu wollen. Die den Entwurf leitende Frage sollte daher immer sein, was der Gestalt des Möbels dient und nicht, was sich alles verwirklichen ließe.
Hannah Rotthaus hat ein schlankes Sideboard als Flurmöbel konzipiert: Feiner Birnbaum setzt sich von der mattschwarz lackierten MDF ab. Ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des Möbels sind die Rundungen in der Draufsicht an Platte und den Gehäusewangen sowie in der Ansicht als Begrenzung der Griffmulden in den Schubkastendoppeln: Sie beleben die strenge Gestalt des Möbels aus Vertikalen und Horizontalen. Die Bogensprosse zwischen den Vorderbeinen steift das Gestell aus und gewährt gleichzeitig Kniefreiheit, eine konstruktiv schlüssige Idee! Wäre der Stichbogen auch statisch entbehrlich? Die Klarheit des Entwurfs würde dadurch vermutlich noch unterstützt.
Jasmin Knedeisen verwendet ebenfals Rundungen als Gestaltungselement. In ihrer Ausformung von Übergängen zwischen Bein und Zarge sind sie, mehr noch als beim ersten Beispiel, unverzichtbarer Teil des Entwurfs. Die zargenbündige Platte wiederholt im Anleimer wie ein Ornament die Außenrundung der Beine in der Fläche. Schön gemacht!
Weitere Gesellenstücke aus der Hauptstadt
dds-Redakteur Johannes Niestrath freut sich über Gesellenstücke, hier aus der Tischlerinnung Berlin, die handwerklich und gestalterisch über den alltäglichen Plattenbau hinausweisen, ohne die Bodenhaftung zu verlieren.