Die schönsten Gesellenstücke aus Sicht der Ausstellungsbesucher sind nicht immer identisch mit den im Wettbewerb Gute Form von der Fachjury prämierten. Auch innerhalb der Jury selbst sollte es kein Kriterium sein, welches Möbel die Mehrheit der Juroren gern in die eigene Wohnung stellen würde! Woran kann man sich bei der Beurteilung der Stücke halten? Ein zentraler Punkt wird in den Kriterien zur Guten Form in allen teilnehmenden Bundesländern ähnlich formuliert: Die Formgebung soll zeitgemäß und eigenständig sein. Gesellenstücke in Anlehnung an vergangene Stilepochen, so schön und perfekt sie oft gearbeitet sein mögen, fallen aus der Wertung des Wettbewerbs heraus. Möglich ist es aber, eine Form zu zitieren und sie in einen zeitgemäßen Kontext zu stellen. Hier zu einer klaren Abgrenzung zu kommen, ist oft nicht leicht. Ist ein Möbelstück im Retrodesign nun eine Stilkopie oder ein bewusstes Zitat? Beispiele aus dem aktuellen Wettbewerb sind der Zeichenkoffer von Kathrin Panes, den man in der Form sicher nicht als modern empfindet, der dennoch eine Belobigung erhalten hat, ähnlich ist es mit dem Kleiderschrank von Tobias Stark. Bei beiden Stücken hat die Jury die betonte Handwerklichkeit als ein bewusst gewähltes Gestaltungsmittel eingestuft, das sich sowohl auf das ganze Stück und zusätzlich auf einen exponierten Teil bezieht: die mit dem Lasercutter ausgeführte Intarsie und die von Hand geschnitzte Front. Anders bei den drei Preisen: Hier stehen die Konstruktionsprinzipien als für die Gesamtgestalt bestimmende Faktoren im Vordergrund – Plattenbau und Stollenbau sowie der Plattenbau auf Grundriss des Achtecks, der in seiner Durchgängigkeit von Felix Eichhorn bemerkenswert konsequent verfolgt worden ist. Wir gratulieren allen Teilnehmern zu ihren Gesellenstücken!
dds-Redakteur Johannes Niestrath war Mitglied der Landesjury Gute Form in Hessen, die im November 2020 trotz der strengen Coronaauflagen im Autohaus Neils & Kraft in Wetzlar stattfinden konnte.