Die Gipfelstürmer

Als Georg Hummler im Sommer 2010 den 1961 m hohen Gipfel des Steinmandls in den Allgäuer Alpen ersteigt, bot sich ihm neben dem herrlichen Ausblick ein jämmerlicher Anblick: Das Gipfelkreuz, errichtet in den 1930er-Jahren und in den 70ern und 90ern notdürftig geflickt, ist nach einem Blitzeinschlag so mitgenommen, dass es keinem Wetter mehr standhält. Noch während des Abstiegs formt sich aus Gipfel, Kreuz, Schule und Holztechnik eine Projektidee: Ein neues Gipfelkreuz für das Steinmandl! Die Kollegen an der Schule für Holztechnik ziehen mit …

Im Rahmen einer Semesterarbeit übernehmen Technikerschüler Entwurf und Konstruktion des Kreuzes. »Es muss den Belastungen einer ungeschützten Bergkuppe standhalten und zugleich von wenigen Helfern transportiert und montiert werden können, da der Gipfel nur zu Fuß zu erreichen ist«, so Projektleiter Benjamin Wiedemann. Das legt eine modulare Konstruktion nahe.

Die Techniker wählen das modifizierte Holz »Accoya«: Durch Acetylierung wird wenig dauerhaftes Holz unter Druck und Wärme mit Essigsäureanhydrid so verändert, dass es die Dauerhaftigkeitsklasse eins erreicht. Ein auf zwei Seiten offener Edelstahlwürfel hält Quer- und Längsbalken zusammen. Kein Modul ist schwerer als zehn Kilogramm.

Die Schreiner im ersten Lehrjahr sind unter Anleitung der Werkstattlehrer für die Fertigung zuständig. »Die Schüler spüren dabei den Sinn ihrer Arbeit«, so Martin Geiger und Martin Schumacher, was auch in dieser Ausbildungsphase besonders wichtig sei, wo mancheiner noch unsicher ist, auf dem richtigen Weg zu sein. Den Transport und die Montage übernehmen Schüler der zweijährigen Berufsfachschule. Auch für sie kommt dieses Projekt zur rechten Zeit. »Etwas erfolgreich zu Ende zu bringen, ist für diese Schüler sehr wichtig. Es motiviert sie für ihren schwierigen Weg, nach der Hauptschule noch zwei Jahre dran zu hängen, um den Realschulabschluss zu erreichen«, so der Klassenlehrer Raban Michalsky.

Nach Entwurf und Fertigung wartet der schwierigste Teil des Projektes auf die Teilnehmer: Kein Schüler war zuvor im Hochgebirge, zum Teil fehlt es ihnen an der Wanderausrüstung. Die Kondition reicht für einen dreistündigen Aufstieg mit schwerem Gepäck einfach nicht aus! Ein Ausdauertraining in den Stuttgarter Weinbergen schafft Abhilfe.

Fast ein Jahr nach Projektbeginn starten dann im September 2011 Schüler und Lehrer in die Berge. Ein Lehrerteam montiert auf dem Fels die Sockelplatte. Am folgenden Tag beginnt der Aufstieg der Schüler. Da nicht alle gleichzeitig auf dem schmalen Plateau Platz finden können, werden Teams gebildet, die für bestimmte Baugruppen des Kreuzes verantwortlich sind. Spätestens jetzt zahlt es sich aus, dass alle Arbeitsschritte mehrfach geprobt sind: Jeder Handgriff sitzt und am Ende des Tages trägt das Steinmandl wieder ein Gipfelkreuz, das allen Wettern getrost entgegensehen kann. Peter Brox

In einem Projekt an der Gewerblichen Schule für Holztechnik Stuttgart ist ein neues Gipfelkreuz für das Steinmandl entstanden und von den Schülern und Lehrern der Berufsfachschule sowie der Technikerschule vor Ort montiert worden.

Die Kreishandwerkerschaft Stuttgart hat die Gipfelstürmer mit dem ersten Preis

im Wettbewerb »Handwerkernachwuchs im Team stärken« ausgezeichnet.