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Zeugnis der Vergangenheit

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Zeugnis der Vergangenheit

Im Museumsdorf Hösseringen zwischen Hamburg und Hannover wurde ein Kötnerhaus aus Oldendorf/Luhe aus dem Jahr 1596 wiederaufgebaut. Carsten Rieckhoff, Tischlermeister aus Bleckede, berichtet über seine Arbeit an dem historischen Objekt.

Carsten Rieckhoff

Das Museumsdorf Hösseringen konnte im August 2005 das neu aufgestellte Kötnerhaus aus Oldendorf einweihen. Die Tischlerei Rieckhoff war mit einigen Arbeiten an der Restaurierung und Rekonstruktion beteiligt: Feststehende Eichenfenster, das zweiflügelige Tor zum Dielenteil, zwei traufseitige Brettertüren und vier Innentüren, davon zwei mit Stichbogen, Wandverbohlungen, Fußböden in den Kammerfächern sowie Deckenbretter über den Kammerfächern sind von uns angefertigt worden.
Da keine Originalfenster vorhanden waren, werden Querschnitte, die aus der entsprechenden Zeit und Region kommen, als Vorlage genommen. Der Querschnitt unserer Fensterprofile beträgt 60 x 35 mm. Die Brüstungskanten waren sehr schräg. Um die Brüstungen der Zapfen fräsen zu können, haben wir eine unserer schrägen Schlitzscheiben ändern lassen. In die genuteten Rahmen werden ohne irgendeine Abdichtung die vom Glaser gefertigten Glaselemente eingesetzt. Die Rahmenecken werden auch nicht verleimt, sondern nur mit Holznägeln gehalten. Die unbehandelten Fenster stehen im vorhandenen Fachwerkfalz und werden mit Schmiedenägeln durch die Fuge befestigt. Nur ein einziges Fenster in der Eckkammer hat zur Lüftung des Raumes ein kleines Schiebeteil.
Da im 16. Jahrhundert das Eisen noch sehr teuer war, waren Beschläge für die Dielentore schwach dimensioniert. Das Tor musste daher leicht sein. Wir haben es aus 32 mm sägerauher Fichte gefertigt. Die Bretter sind mit 16-mm-Holznägeln an den Querriegeln befestigt. Außer den vier Bändern ist kein Eisen verwendet worden!
Die traufseitigen Brettertüren liegen im vorhandenen Fachwerkfalz. Sie sind aus 26 mm dicken, sägerauhen Eichenbrettern gefertigt, die in diesem Fall mit Schmiedenägeln befestigt sind. Eine Tür ist geteilt. Diese Bauart wird oft als »Klöntür« bezeichnet, hatte aber eher die Funktion, Räume zu belüften, ohne dass Tiere das Haus verlassen konnten. Die Innentüren sind Brettertüren aus verleimter Fichte mit zwei Gratleisten. Sie sind gehobelt und haben verzinnte Bänder. Die Innentüren liegen wie die Außentüren in einem Fachwerkfalz, sie haben also weder Zarge noch Rahmen.
Den sägerauhen Boden haben wir mit achteckigen Holznägeln befestigt. Die Nägel waren oben eingesägt, mussten jedoch, um das Brett wirklich satt auf dem Kantholz zu halten, so stramm sitzen, dass sich der Schlitz schon geschlossen hatte, wenn der Nagel ganz eingetrieben war. Wir haben den Keil also 10 mm eingesteckt, wenn der Nagel noch herausguckte, und den Nagel dann mit einer Lehre, die den Keil aussparte, eingeschlagen. Dann erst wurde der Keil eingetrieben (quer zum Faserverlauf).
Wandverbohlungen sind aus 40 mm sägerauhen, konischen Eichenbohlen gefertigt. Im Rähm (oberer Querbalken einer Fachwerkwand) sind Nuten eingearbeitet, die Schwelle ist gefälzt. Die Bohle, die als letzte eingefügt wird, muss sich am stärksten verjüngen, und das breite Ende muss unten sein. Diese Arbeit war, wie manches an diesem Bau, neu für uns. Die Routine stellte sich erst bei den letzten Feldern ein. Auch Türen und Fußböden sind selbstverständlich aus konischen Brettern gefertigt. Es gibt keinen Grund, die Bretter parallel zu schneiden. Reine Holzverschwendung!
Leider sind die Zeiten vorbei, wo man sich mit einem Auftrag für den nächsten empfiehlt. Es reicht nicht aus, dass beispielsweise das Museumsdorf mit uns gute Erfahrungen gemacht hat; denn mit EU-Mitteln geförderte Projekte müssen immer öffentlich ausgeschrieben werden. Die Folge ist, dass wir sehr knapp kalkulieren. Trotzdem hat uns der Auftrag viel Spaß gemacht.
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