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Wer führt?

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Wer führt?

Wer führt?
Weltweit führend und dennoch unter enormen Wettbewerbsdruck: die deutschen Küchenmöbelhersteller
Weltweit erweisen sich die Deutschen als die mit Abstand leistungsstärksten und innovativsten Küchenhersteller – im Massenmarkt ebenso wie in der Luxusnische. Dennoch gewinnt der Kampf um den Markt in allen Segmenten an Härte. Es gibt Gewinner und Verlierer. Ein Branchenporträt von Wirtschaftsjournalist Hartmut Braun, Herford.

Die deutschen Küchenhersteller glänzen mit neuen Materialien, setzen virtuos neue Techniken ein, beherrschen komplexe Lieferprozesse und haben längst auch im Design die einst überlegene Konkurrenz aus Italien um Längen abgehängt. Nicht zuletzt sind es deutsche Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Liefergenauigkeit und Service, die den Unterschied machen. Erst im April war ihr Vorsprung der Deutschen auf der Weltleitmesse Eurocucina wieder zu erleben. Im Inland, vor allem im Küchenland Ostwestfalen entlang der Autobahn A 30, herrscht allerdings einige Unruhe. Eine Serie von Nachrichten über Insolvenzen, Firmenverkäufe und Verlagerungen erschüttert die lange vom Erfolg verwöhnte Branche. Inzwischen packt die IG-Metall häufiger mal ihre roten Fahnen auch vor Küchenfabriken aus – ein lange Zeit unbekanntes Bild. Im März meldeten zwei der 30 Küchenfabriken im Kreis Herford Insolvenz an: E+K (Hiddenhausen) und Geba (Löhne). Im gleichen Monat wurde der Verkauf von Pronorm (Vlotho) vom schwedischen Branchenriesen Nobia an den holländischen Küchenhändler de Mandemakers bekannt. Wenige Tage später verkündete die angeschlagene Snajdero-Gruppe die Schließung ihres Produktionsstandort Melle.

Stellenabbau und Insolvenzen
Ebenfalls im März kündigte die Edelmarke Bulthaup im bayrischen Aich die Trennung von einem Fünftel der Belegschaft an – ein Schritt, den im Jahr zuvor der Konkurrent Siematic in Löhne (Kreis Herford) bereits gegangen war. Im Vorjahr hatten Traditionsunternehmen wie Ebke-Küchen, Nieburg und Klostermann die Insolvenzgerichte bemühen müssen, jedoch – bis auf Ebke – mit reduzierter Belegschaft und verändertem Konzept die Produktion fortgeführt. Diese Nachrichten treffen eine Branche, deren Akteure seit Ende 2008 – wie andere Branchen auch – über Kurzarbeit die teilweise dramatischen Einbrüche im Export abzufedern versuchten. An den Produktionsbändern der Küchenmöbelfabriken wurde lange Zeit gutes Geld – weit über den Tariflöhnen – verdient. Inzwischen vereinbarten Betriebsräte und Geschäftsführungen jedoch fast flächendeckend Sonderregelungen für Arbeitszeit, Zulagen und Sonderleistungen, um auf Auftragsschwund – allerdings auch auf verschärften Wettbewerb – reagieren zu können. Verärgert registrierte die Gewerkschaft, dass die Vereinbarung längerer Arbeitszeit ohne Lohnausgleich sich bereits Tage später in Rabattschlachten der Hersteller im Küchenhandel spiegelte. Sie schafft es nicht, das Rad zurückzudrehen, obwohl hochwertige Küchen nie preiswerter als heute waren. Die Branche hat im letzten Jahrzehnt etliche Erfolgsgeschichten produziert: Dazu gehört der Aufstieg der Küchenschmiede Nobilia der Familie Stickling in Verl (Kreis Gütersloh) zur Nr. 1.
Die neue Nr. 1 und ihr Dorf
Ein Viertel aller deutschen Küchen – jährlich 450 000 Stück – läuft bei Nobilia vom Band. Mit 200 000 m2 Produktionsfläche ist für fast 2000 Mitarbeiter in Verl ein eigenes Küchendorf entstanden. Jahresumsatz: 740 Millionen Euro, Tendenz steigend. 40 km entfernt in Rödinghausen ist Häcker-Küchen zur Nr. 3 in Deutschland aufgestiegen. Die Eigentümerfamilie Finkemeier hat dafür in den letzten fünf Jahren 70 Millionen Euro investiert und die Belegschaft auf 800 aufgestockt – annähernd 300 Millionen Euro Umsatz sind das Ergebnis.
Derweil versucht die einstige Nr. 1 der Branche sich zu fangen und zu alter Stärke zurückzufinden. Die Alno AG (Pfullendorf, Baden-Württemberg) hatte zu Beginn des Jahrzehnts den direkten Wettbewerber Wellmann (Enger, Kreis Herford) übernommen, der einst den Küchenblock erfunden hatte. Damals machte das Bonmot die Runde, dass zwei Lahme zusammen noch keinen Sprintweltmeister ergeben. Seitdem hat es verlustreiche Geschäftsjahre und immer neue Sanierungskonzepte gegeben. Inzwischen schrumpfte die Beschäftigtenzahl von weit über 3000 auf unter 2000 und der Umsatz (2009) erstmals unter 500 Millionen Euro. Der neue Vorstandschef hat im letzten Jahr einen einschneidenden Strategiewechsel eingeleitet: Die Gesundung soll über eine Verlagerung des Unternehmensschwerpunkts nach Ostwestfalen, an den Wellmann-Standort Enger, erreicht werden, wo die Belegschaft um 200 auf wieder 700 aufgestockt wird. Pfullendorf schrumpft derweil: 450 Stellen werden abgebaut. Dadurch und durch mehr internen Wettbewerb der vier Alno-Standorte (Pfullendorf, Enger, Brilon, Klieken/Sachsen-Anhalt) soll der Vorsprung des Marktführers, der an einem einzigen Standort produziert, aufgeholt werden.
Viele kleine, aber feine Hersteller geben dieser Branche ihr Gesicht. Da gibt es Firmen wie Eggersmann in Hiddenhausen (Kreis Herford), die sich mit einem Mix aus anspruchsvollem Design und technischer Exzellenz einen Namen im Bereich der hochwertigen Küchen gemacht haben – mit kaum mehr als 100 Mitarbeitern. In der gleichen Gemeinde hat Brigitte-Küchen ihren Sitz, wo 250 Mitarbeiter auch in der Krise hoch einstellige Wachstumsraten erarbeiteten und die Grundlage für mehrere Erweiterungen schufen – gerade in diesen Tagen wird wieder eine neue Halle in Betrieb genommen. Oder Ballerina-Küchen, wie Häcker im 9000-Einwohner-Dorf Rödinghausen beheimatet: Auch hier koppelte man sich vom Branchen-Trend ab, erzielte Zuwächse – mit 250 Leuten und 50 Millionen Euro Umsatz.
Kleine fliehen ins Topsegment
Die Kleinen versuchen, dem mörderischen Preiswettbewerb des Massengeschäfts durch Ausweichen in die höheren Sphären des Marktes zu entkommen – da, wo die Markenhersteller Bulthaup, Siematic und Poggenpohl zu Hause sind, die nach wie vor die großen Trends vorgeben. Doch dort wird die Luft dünn. Der Luxusküchenmarkt ist in der Finanzkrise besonders stark geschrumpft. Derzeit sprechen die meisten Hersteller von Erholungstendenzen nach der Wirtschaftskrise. Und es eint sie die Hoffnung, dass die Deutschen ihre Stärken in den Auslandsmärkten, wo zahlreiche örtliche Anbieter vom Markt verschwunden sind, jetzt noch besser entfalten können. Hartmut Braun
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