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Steine für Schreiner

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Steine für Schreiner

Warum sollte ein Schreiner etwas anderes verarbeiten als Holz? Mineralwerkstoffe zum Beispiel? Bringt ihm das mehr Aufträge? Die Antwort lautet: ja – mit etwas Mut, Know-how und den richtigen Verkaufsargumenten.

Mineralwerkstoffe sind aus dem Tischlerhandwerk nicht mehr wegzudenken, denn sie werden bei Kunden und Auftraggebern immer beliebter. Ihre Vorteile liegen auf der Hand: hygienische Arbeitsflächen in Küche und Bad, im Krankenhaus, in Arztpraxen und Labors lassen sich mit diesen Materialien besonders hochwertig herstellen. Be- cken aus Mineralstoff ersetzen Keramik und Edelstahl; Platten aus neuen Quarzwerkstoffen, die seit einigen Jahren auf den Markt kommen, ersetzen Granit und Marmor.

Am Anfang war … DuPont
Angefangen hat alles vor rund vierzig Jahren in den Entwicklungslabors von DuPont, einem amerikanischen Chemiekonzern mit zweihundertjähriger Geschichte, dessen erste Produkte Schießpulver und Sprengstoff für den wilden Westen waren. Die Ingenieure von DuPont mischten zum ersten Mal Aluminiumhydroxid, ein Abfallprodukt aus der Aluminiumproduktion, mit dem Kunstharz Acryl und vergossen die Masse zu einem plattenförmigen Werkstoff. Das Verfahren wurde patentiert, und das Produkt eroberte unter dem Namen „Corian“ den Weltmarkt. Andere Hersteller waren gezwungen, ihre Produkte mit anderen Verfahren und Inhaltsstoffen herzustellen. Beispielsweise wurde als Harz für die Bindung Polyester anstelle von Acryl verwendet. Einer der Hersteller polyestergebundener Mineralwerkstoffe war Gruber+Weber mit seinem Produkt „Varicor“. Bis heute hat sich jedoch der Markenname Corian fast als Synonym für Mineralwerkstoffe durchgesetzt. Der Küchenhersteller Gaggenau hat Corian Anfang der 80er-Jahre auf dem deutschen Markt eingeführt. Später übernahm die Schock-Gruppe den Vertrieb in Deutschland.
Mineralwerkstoff: Acryl oder Polyester?
Als das DuPont-Patent Anfang der 90er-Jahre auslief, veränderte sich der Markt: Auch andere Hersteller, vor allem aus Asien, brachten acrylgebundene Werkstoffe auf den Markt, zum Teil mit weiterentwickelten technischen Eigenschaften, beispielsweise was den Feuerwiderstand betrifft; dieser verlängert sich bei einem höheren Anteil von Aluminiumhydroxid.
Üblicherweise bestehen die Mineralwerkstoffe aus rund zwei Teilen Aluminiumhydroxid und einem Teil Acryl. Acryl, vor allem bekannt in seiner durchsichtigen Variante als „Plexiglas“, ist ein thermoplastischer Kunststoff: Es kann unter Wärmeeinwirkung verformt werden.
Polyester dagegen ist duroplastisch: Hitze zerstört das Material, anstatt es zu schmelzen. Acryl gilt im Vergleich mit Polyester als höherwertiger Kunststoff. Der Marktanteil der acrylgebundenen Werkstoffe beträgt rund 90 Prozent. Doch auch Polyester hat seine Vorteile. Beispielsweise können polyestergebundene Mineralwerkstoffe mit sehr viel geringerem technischem Aufwand hergestellt werden als die acrylgebundenen, denn sie härten chemisch aus und können kalt gegossen werden. Die polyestergebundenen Werkstoffe haben außerdem Vorteile im Labor- und Krankenhausbereich, denn sie sind widerstandsfähiger gegen bestimmte Chemikalien.
Polyester lässt sich auch mit Acryl mischen; dadurch verbessert sich seine UV-Beständigkeit. Beide Produktgruppen haben ihre Vorteile und ihre Grenzen, aber auch ihre Gemeinsamkeiten: Beide sind homogene, porenfreie Werkstoffe, die in verschiedenen Dekoren und Farben hergestellt werden, und beide enthalten dieselbe mineralische Grundkomponente. Die Wahl zwischen den Gruppen sollte sich nach den jeweiligen technischen und wirtschaftlichen Anforderungen richten.
Quarzwerkstoff: neuer Stern am Himmel
Eine Weiterentwicklung des Mineralwerkstoffs ist der so genannte Quarzwerkstoff, der etwa seit dem Jahr 2000 eine wachsende Rolle spielt, vor allem in der Küchenindustrie. Quarzwerkstoffe sind „Hartstoffe“, denn sie bestehen zu 94 bis 96 Prozent aus gemahlenem Quarz. Gebunden sind sie immer mit Polyesterharz. Zusätzlich sind Härter, Farbstoffe usw. enthalten. Die Härte von Quarz liegt mit einem Wert von 8 nicht weit von derjenigen des Diamanten entfernt, dessen Wert 10 beträgt. Die Quarzwerkstoffe kann man nicht thermisch verformen und nur mit Diamantwerkzeugen bearbeiten. Wegen des Harzes sind bei diesen künstlichen Steinen die Poren geschlossen, anders als beispielsweise bei Granit. Außerdem sind sie im Gegensatz zu Naturstein von gleichmäßiger Konsistenz und können dadurch besser industriell verarbeitet werden, etwa auf digital gesteuerten Aufteilanlagen. Darüber hinaus können die Quarzwerkstoffe in unnatürlichen Farben produziert werden, in leuchtenden Signalfarben etwa oder in reinem Weiß. Für die Industrie ist vor allem wichtig, dass sie – im Gegensatz zu Marmor oder Granit – über praktisch unbegrenzte Mengen des Materials verfügen kann.
Die Quarzwerkstoffe sind den Mineralwerkstoffen vor allem dort überlegen, wo es auf Härte und Hitzebeständigkeit ankommt, beispielsweise in der Küche. Nur der Quarzwerkstoff hält heiße Töpfe aus. Fugenfreies Kleben ist dagegen nicht möglich – hier hat der Mineralwerkstoff einen Vorteil.
Marktchancen für Tischler/Schreiner
Der Schreiner kann beide Materialien anbieten und hat dadurch die Chance, Kundenwünsche und Anforderungen zu bedienen, die er mit seinem traditionellen Angebot nicht abdeckt. Wichtig ist vor allem, sich ein grundlegendes Fachwissen über die Mineral- bzw. Quarzwerkstoffe anzueignen, und eine klare Vorstellung davon zu haben, welche Rolle die Materialien im eigenen Angebotsspektrum spielen.
Bearbeitung von Mineralwerkstoffen
Das berühmte Lehrgeld wird jeder Verarbeiter zahlen müssen; wichtig ist nur, es in Grenzen zu halten durch gründliche Information, sorgfältige Planung und ein sinnvolles Konzept. So einfach die Mineralwerkstoffe zu verarbeiten sind, ganz trivial ist der Umgang mit ihnen nicht. Es gibt, wie bei jedem Werkstoff, Detailprobleme, die man kennen sollte, um nicht teure Fehler zu machen.
Nur ein Beispiel: Das „fugenfreie Verleimen“ birgt eine Tücke, wenn das Material reinweiß ist und die offene Klebefläche nicht absolut staubfrei gehalten wird. Verunreinigungen sind später als dünne dunkle Linie zu sehen. Auch das Verformen des Werkstoffs erfordert viel Know-how. Es gibt beim Erwärmen Ausdehnungs- und Schrumpfungsprozesse, die man beherrschen muss. Außerdem sind, je nach Material, bestimmte Temperaturbereiche einzuhalten. Vor allem das dreidimensionale Verformen, beispielsweise zur Herstellung von Waschbecken, erfordert die gründliche Kenntnis chemischer und technischer Vorgänge, sonst kann es zu Rissen im Material kommen. Die komplizierteren Anwendungen sollte man deshalb den Zulieferern überlassen. Einfache Verformungen jedoch, wie zum Beispiel den Radius für eine Säule, kann tatsächlich jeder Schreiner mit der Furnierpresse bewerkstelligen. Auch die gebogene Kante für einen runden Tisch wird kein Problem sein.
Die zerspanende Verarbeitung der Mineralwerkstoffe wirft die Frage nach der Abfallentsorgung auf. Man kann das Material zwar sägen, fräsen und schleifen, doch die Späne und Abfälle landen bei den Holzabfällen, die meist verbrannt werden. Hier kann jedoch Entwarnung gegeben werden: Es entstehen beim Verbrennen keinerlei Giftstoffe, und zwar weder bei den acryl- noch bei den polyestergebundenen Mineralwerkstoffen. Kleinere Mengen an Plattenresten können als Hausmüll entsorgt werden, größere Mengen als „Kunststoff-Bauabfälle“.
Ein flächendeckendes Recycling-System gibt es, mangels Masse, nicht. Grundsätzlich nehmen Hersteller jedoch Reste zurück, denn diese sind recyclingfähig. Jörg Zinßer

Nützliche Adressen
Verband der Mineralwerkstoffhersteller ISSFA: www.issfa.net Ansprechpartner für Deutschland: Martin Funck, Rosskopf & Partner AG 09573 Augustusburg-Hennersdorf Tel.: (037291) 25–0, Fax: –10 www.issfa.net
Fachzeitschrift für Mineralwerkstoffe (englischsprachig, kann online abonniert werden): www.solidsurfacemagazine.com
Deutsche Mineralwerkstoff-Messe: www.e3s.info Veranstalter: Survey Marketing + Consulting GmbH & Co. KG www.e3s.info

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