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Schiebewand mit Schlupftür

Bauelemente
Schiebewand mit Schlupftür

Mit »Schiebetür« hatte der Architekt eine knapp vier Meter lange bewegliche Wandscheibe umschrieben, die die Küche vom Essbereich abtrennen soll. In der Nutzung macht so ein Ungetüm eigentlich keinen Sinn. Peter Gahr fand dennoch eine funktionierende Lösung.

Wohnzimmer, Essplatz und Küche über Eck in einer zusammenhängenden Wohnfläche von knapp 70 m2, so hatte es der Architekt mit den Bauherren eines Einfamilienhauses bei Fulda geplant. Für die temporäre Abtrennung der Küche wurde der Bau einer Schiebetür besprochen.

Ein paar zarte CAD-Striche sind jedoch in der Realität alles andere als ein Leichtgewicht. Eine erste überschlägige Berechnung erbrachte ein Flügelgewicht von ca. 300 kg. Damit war klar: Das wird keine kostengünstige Standardlösung! Hierauf waren jedoch weder Bauherren noch Architekt vorbereitet. Da wir die Kosten jedoch nachvollziehbar argumentieren konnten, wurden sie letztendlich auch akzeptiert. Wichtiger Schritt hierbei: Korrektur des Begriffes »Schiebetür« in »Schiebewand«. Dennoch waren wir vom architektonischen Konzept nicht überzeugt.

300 kg schiebt man nicht eben so

Auch die Bauherren erkannten im Planungsgespräch sofort die eingeschränkte Funktion dieser »Wand« im Alltag, denn auch bei geschlossener Schiebewand sollte die Küche leicht erreichbar sein.

Elektroantrieb sowie außen einen Spalt offen stehen lassen waren die Vorschläge des Architekten. Elektroantrieb setzten die Bauherren verständlicherweise mit einem technischen Overkill gleich. Auch der Durchgangsspalt an der Außenwand überzeugte nicht. Jedes Mal dreieinhalb Meter um die »Tür« herumzugehen funktioniert in der Realität nicht wirklich.

Die Lösung: die Tür in der Wand

Mit dem Vorschlag einer in die Schiebewand integrierten Schiebetür fanden wir die überzeugende Lösung. Bauliche Voraussetzung hierfür: Die seitliche Mauertasche muss zusätzlich zur üblichen Tiefe auch noch das Öffnungsmaß der integrierten Schiebetür aufnehmen können. Die Schiebewand muss also seitlich um die Breite der integrierten Schiebetür verlängert werden. Anders geht es nicht, denn um genau dieses Maß kragt die Laufschiene der integrierten Schiebetür seitlich hinaus. Die integrierte Schiebetür sitzt flächenbündig im Gesamtelement. Unabhängig davon, ob sie offen oder geschlossen ist, kann die Schiebewand komplett eingeschoben werden. Die Gesamtkosten wurden hierdurch nicht wesentlich gesteigert, die praxistaugliche Handhabung rechtfertigte jedoch erstmals die insgesamt hohen Kosten.

Der Transport sowie die Möglichkeit einer späteren Revision erforderten grundsätzlich den Aufbau einer mehrteiligen Konstruktion, denn wegen der »Überbreite« (Schlupftür) ist eine spätere Demontage nur bei Einzelelementen möglich.

Holz ist nicht immer ideal

Wir entschieden uns für eine Rahmenkonstruktion aus Aluminium-Systemprofilen, auf die eine demontierbare, mit Stoff bespannte Holzverkleidung eingehängt ist. Vorteil: Die Rahmen sind verzugsfrei und können zudem über Systemverschraubungen schnell winkelstabil werden. Der Systemhersteller lieferte alle Teile exakt auf Maß sowie mit allen erforderlichen Systembohrungen für die Verbinder. Bei Anpassungen half ein passendes Metallsägeblatt mit negativem Spanwinkel auf der Formatkreissäge.

Das Gesamtgewicht für diese Konstruktion liegt bei knapp unter 300 kg, wobei wir mit 2,1 kg/lfm relativ schwere Profile auswählten. Gereicht hätte durchaus auch eine leichtere Version mit 1,6 kg/lfm. Das bedeutet bei circa 30 lfm fast 50 kg weniger Gewicht. In Holz wären wir auf ähnliche Werte gekommen, bei jedoch deutlich geringerer Formstabilität. Inklusiv aller Systemverbinder, Nutsteine und Schrauben lagen die Kosten für die Profile bei etwa 1500 Euro netto.

Nett verpackt

Beidseitig den Rahmen aufgesetzt sind 9 mm starke Sperrholzplatten aus Birke, eingehängt über Eilox-Einhängeprofile. Als Verkleidung war die Auflage eines Schallschutzvlieses mit einer Stoffbespannung geplant, die in der Fläche punktuell – ähnlich einem Polstermöbel – mit Knöpfen auf die Paneele niedergespannt werden sollte. Auf Wunsch des Bauherrn wurde die Bespannung aus Kostengründen jedoch von einem ortsansässigen Raumausstatter ausgeführt, der auf die punktuellen Befestigungen verzichtete. Das sehen wir im Langzeitgebrauch kritisch, denn bei einem eventuellen späteren Absacken der Vlieseinlage ist die auf die Mauertasche optimierte Elementdicke nicht gewährleistet.

Für die von uns in einer Wohnung optisch maximal vorstellbare Laufschienenbreite werden Garnituren mit einer Tragkraft von bis zu 160 kg angeboten. Hierbei ist eine Zweipunktaufhängung vorgegeben, die eine gleichmäßige Belastung der Laufwägen mit dem jeweils halben Flügelgewicht sicherstellt. Mit 160 kg pro Garnitur lagen wir deutlich unter der erforderlichen Traglast und entschieden uns daher, die Elemente mit je zwei Laufwagenpaaren aufzuhängen.

Der Teufel liegt im Detail

Dies funktioniert nur, wenn die Aufhängung der Laufwägen Höhentoleranzen der Laufschiene ausgleichen kann. Hierzu stellten wir das übliche Aufhängungssystem von Schiebetüren buchstäblich »auf den Kopf«. Die Höhenjustierung erfolgte nicht über zwei gekonterte Muttern an der Türaufhängung, sondern im Laufwagen selbst. Die Durchgangsbohrungen in den Laufwägen wurden auf die nächst mögliche Kernlochgröße aufgebohrt und mit einem Gewinde versehen. Die Rahmenelemente hängen direkt, an von unten durch die Aluprofile durchgesteckten Gewindebolzen an den Laufwägen. Zwischengelegte Elastomerscheiben ermöglichen einen gemäßigten Ausgleich der unvermeidbaren minimalen Höhendifferenzen der Laufschiene. Jeweils dicht nebeneinander gesetzt, in Kombination mit der elastischen Aufhängung, bilden die beiden Laufwagenpaare so quasi wieder eine Zweipunktaufhängung.

Anstatt mit Kontermuttern erfolgte die Sicherung der Endposition mit einer flüssigen Schraubensicherung. Hierzu nutzten wir einen Stick. Dessen Klebstoff ist nicht flüssig, also ideal für Überkopfarbeiten.

Gute Vorplanung zahlt sich aus

Trotz all dieser Maßnahmen: Eine exakte Höhenjustierung der oberen Laufschiene ist dennoch Grundvoraussetzung für diese Konstruktion. Die Laufschiene wurde komplett, zusammen mit einer Unterkonstruktion, montiert. In die Unterkonstruktion integrierte Putzschienen stellen einen sauberen Trockenbauanschluss sicher. Im Halbmeterabstand sind der Unterkonstruktion 6 mm starke Flachstähle über Gewindeschrauben quer aufgesetzt. Diese beidseitige Aufhängung – links und rechts der Laufschiene – ermöglicht neben einer exakten Höhenjustierung auch das präzise Ausrichten in der Querachse. Eine auch nur leicht verdrehte Laufschiene brächte eine einseitige Belastung der Laufwägen – also weniger Tragkraft.

Die in der Länge zweigeteilte, zusammensteckbare Laufschiene wurde zuerst über Gurte unter der Decke fixiert, anschließend an den Endpunkten provisorisch befestigt. Dann wurden die restlichen Befestigungspunkte gebohrt, lagegenau, direkt durch die Flachstähle hindurch. Seitlich neben der Laufschiene liegend, sind sie mit der Bohrmaschine gut erreichbar. Eingesetzt wurden Schwerlastanker mit M10-Gewindebolzen. Um eine sichere Vorspreizung der Anker zu erreichen empfehlen die Hersteller einen Drehmomentschlüssel. An diese Vorgabe sollte man sich auch halten. So weit so gut und wenn möglich, empfiehlt es sich jetzt, für die Feinjustierung die dunklen Abendstunden abzuwarten.

Insgesamt mussten drei Dinge ausgerichtet werden: die Höhe der Laufschiene, deren horizontale Ausrichtung in der Querachse sowie der geradlinige Verlauf mittig über der Bodenführungsschiene. Hierzu benutzten wir zwei Laser. Ein unterhalb der Decke montierter grüner Laser diente der exakten Höhenjustierung. Mit dem zweiten Gerät projizierten wir eine senkrechte Ebene mittig auf der Bodenführung.

Zwei Laser sind besser als einer

Für die Justierung hatten wir eine Hilfskonstruktion vorbereitet: eine Gewindestange, die über zwei Beilagscheiben in der Laufschiene eingehängt und lotrecht fixiert werden konnte. Eine unten aufgeschraubte große Beilagscheibe ermöglichte die exakte Einrichtung der Höhe, die Gewindestange selbst die Justierung der waagrechten Lage.

Zuerst justierten wir über die gesamte Länge einseitig die Höhe, dann hoben wir auf der gegenüberliegenden Seite so lange an, bis die senkrechte Projektionsfläche des roten Lasers mittig auf der Gewindestange lag. In der Regel lag der grüne Laser für die Höhenjustierung immer noch exakt auf der Kante der unteren Beilagscheibe. Wenn nicht, wurde beidseitig nachjustiert, gekontert und die Hilfskonstruktion zum nächsten Befestigungspunkt verschoben.

Am Ende wird alles gut

Zum Schluss erfolgte die Koppelung der einzelnen Rahmenelemente über durchgesteckte Gewindebolzen und die Montage der Eilox-Einhängeprofile. Nach der Vormontage der Boden- und Deckenschienen rumpelte die Baustelle nahezu sechs Monate über diese diffizilen Bauteile. Trotz aller Schutzmaßnahmen wäre es gelogen, zu behaupten, nach Fertigstellung und dem erfolgreichem Probelauf keine Erleichterung verspürt zu haben. Knapp 500 km von der Werkstatt entfernt ist solch eine Sonderkonstruktion zwar kein unkalkulierbares Wagnis, aber dennoch: Einige schlaflose Nächte waren durchaus gegeben.


Peter Gahr hat schon als Kind in der benachbarten Schreinerei Möbel gebaut. Heute arbeitet er als Architekt und Möbeldesigner und ist nach wie vor vom Handwerk fasziniert. In dds stellt er Arbeiten aus seiner Werkstatt vor.

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