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Riegel bis ins Mark

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Riegel bis ins Mark

5,9 Meter lang, in der Mitte 76 Zentimeter dick, perlmuttweiß und von der Rinde bis in die Markröhre unübersehbar geriegelt – solch einen Bergahornstamm hat Mehling & Wiesmann für 35 000 Euro ersteigert. Bereits einen Tag nach dem Messern kaufte ein amerikanischer Händler die gewonnenen 4111 Quadratmeter.

Den Zuschlag für diesen Stamm erhalten wir wahrscheinlich mal wieder nicht« sagte Walter Künzinger, Holzeinkäufer bei Mehling und Wiesmann in Lohr, abends in der Kneipe zum Verkaufsleiter Kurt Siedler. Er zückte sein I-Phone und zeigte Fotos: ein kerzengerader Bergahornstamm, 5,9 Meter lang und in der Mitte 76 Zentimeter dick. Das Holz unter einem Stück losgelöster Rinde zeigte sich noppenfrei. Eigentlich nichts besonderes, wäre da nicht noch ein weiteres Bild von einem welligen Holzstück. Der Staatsforstbetrieb Arnstein hatte am Zopfende eine dünne Holzscheibe abgetrennt, diese in radialer Richtung gespalten und oben auf den per Submission zu versteigernden Stamm gelegt. Die wellenförmige Spaltfläche weist einen Riegelwuchs von der Rinde bis in die Markröhre nach. So etwas haben beide noch nie gesehen. Normalerweise ist die Riegelung viel schwächer zu erkennen und erstreckt sich lediglich über das äußere Viertel oder Drittel des Stammquerschnitts. Kurt Siedler und Walter Künzinger waren begeistert und wollten diesen Jahrhundertstamm unbedingt ersteigern, zumal der Baum aus ihrem Heimatforst kommt. »Superstämme mit einem Wert von über 10 000 Euro haben in der Vergangenheit in der Regel Hans Hahn, Schorn & Groh, Fritz Kohl oder vor einigen Jahren Karl Kohl gekauft,« sagte Kurt Siedler. »Diesmal jedoch sollte es anders kommen.« Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Richard Weis besichtigten sie den Stamm, einigten sich auf ein Gebot in Höhe von 35 000 Euro, das sie per Post abgaben. Keiner hat mehr geboten, sie erhielten den Zuschlag. Ein Mitbieter scheiterte daran, dass er den dunklen Kern mit 20 Zenteimetern Durchmesser als Holzfehler bewertet hatte. Kurt Siedler war sich jedoch sicher, dass dieses Holz vor allem mit Kern begehrt ist.

Die zweite Länge des Stamms ging an Fritz Kohl. Die dritte und vierte Länge bestand aus inzwischen zu Meterstücken gekürzten und zu Brennholz gespaltenen Ästen. Auch hierfür erhielt Mehling und Wiesmann den Zuschlag. Das Material dient jetzt natürlich nicht als Brennholz, daraus lassen sich etwa 150 bis 200 komplett geriegelte Gitarrenhälse herstellen.
Am 23. März hat Mehling & Wiesmann den Stamm aufgemessert und bereits einen Tag später an den Furnierhändler Bacon Veneer in Chicago verkauft. Die gemesserten Blätter übertrafen alle Erwartungen: Das Riegelbild ist nicht zu übersehen, die Farbe perlmutt-weiß. Die Fläche schillert im Sonnenlicht ähnlich wie Perlmutt oder ein Metalliclack. 90 Prozent der Pakete sind breiter als 20 Zentimeter, einige sogar über 35 Zentimeter. Beim Messern waren zwei gestandene, bald 70 Jahre alte Furnierhändler im Werk. Sie zeigten eine ernste Mine und sagten, dass auch sie so einen Riegel in ihrem gesamten Berufsleben noch nicht gesehen hätten.
Im Furnierwerk wurde der Stamm zunächst in auf die Längen 2,9 und 3 Meter geteilt. Da der Riegel am besten beim Rift zur Geltung kommt, haben die Furnierwerker den Stamm geviertelt und im echten Quartierschnitt aufgemessert. Dazu haben sie die Stämme auf der Blockbandsäge zunächst halbiert und anschließend zu Vierteln aufgetrennt. Im 45°-Winkel zu den Schnittflächen brachten sie Fasen als Anlagefläche für die Messermaschine an. Nachdem etwa ein halber Viertelblock heruntergemessert war, lösten die Furnierwerker den Stamm, leimten einen Opfermesserrest in einer preiswerteren Holzart auf die gemesserte Fläche auf, spannten den Stamm um 180° gedreht ein und messerten den restlichen Viertelblock komplett auf. Insgesamt sind 4111,12 Quadratmeter Furniere in 0,55 Millimeter Dicke zusammengekommen. Dank der Opfermesserreste beträgt die Materialausbeute 87 Prozent. GM
»Mit dem Spaltstück hat die Landesforstverwaltung die Katze aus dem Sack gelassen!«
Kurt Siedler

Adresse
Mehling & Wiesmann GmbH 97816 Lohr a. Main, Tel.: (09352) 8793-0, Fax: -11, www.schokowood.de
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