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Küchenmarkt in Deutschland: Trends und Entwicklungen

Küchenmarkt: Trends und Entwicklungen
Digitale Chancen

In den Küchen der Deutschen tut sich was. Keinem Wohnbereich steht eine so tiefgreifende Veränderung von Einrichtung, Funktionen und Abläufen bevor. Die großen Einbauküchenhersteller bereiten sich darauf vor. Die Digitalisierung bietet den Kleinen viele Chancen, dabei mitzuhalten.

Viele bewegliche Geräte, vom Kaffeeautomaten bis zur »Kitchenaid«, wollen in der Küche untergebracht und formschön integriert sein. Zugleich fordert die revolutionäre Entwicklung der klassischen Einbaugeräte die Einrichter heraus.

Automatisierung, Datenfernübertragung, Spracherkennung und künstliche Intelligenz verwandeln Omas Herde und Backöfen ebenso wie die brummenden Kühlschranke der Vergangenheit in hochflexible Servicemonster und bringen immer neue digitale Helferlein hervor. Der spektakuläre »Dialoggarer«, mit dem Miele gerade auf der Mailänder EuroCucina Furore machte, bietet einen Vorgeschmack auf eine Küchenwelt, in der wenig bleibt, wie es war.

Auch wenn nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird: Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass in zehn Jahren Millionen Deutsche anders als heute kochen, kühlen, spülen, aufbewahren und dass ihre Küchen dafür deutlich anders ausgestattet, eingerichtet und organisiert sein werden. Diese Veränderungen, so teuer sie aktuell auch noch sind, werden sich nicht auf die wohlhabende Oberschicht begrenzen. Dagegen spricht nicht, dass am anderen Ende der sozialen Skala oft nur noch die Mikrowelle zum Auftauen von Tiefkühlkost Verwendung findet.

Die Küchenpreise steigen

Längst arbeitet die Küchenindustrie an Lösungen für den Umgang mit den neuen Geräten, den neuen Funktionen und den neuen Arbeitsabläufen. Doch die Individualisierung auf der Nutzerseite setzt ihr Grenzen. Je ausgefeilter die Bedürfnisse künftiger Hausmänner und Hausfrauen werden, desto größer wird der Wunsch, die Küche als Werkstatt wie als Wohnraum gemeinsam mit Inneneinrichtern und Handwerkern wieder eigenständig und unverwechselbar zu gestalten. Seit Jahren steigen die Durchschnittspreise für Einbauküchen – ein Beleg dafür, dass dem Verbraucher seine Küche wieder mehr wert ist.

Davon profitiert aktuell die, weltweit unverändert leistungsfähigste, deutsche Küchenmöbelindustrie. Infolge rückläufiger Bautätigkeit stagnieren zwar die Inlandsumsätze bei leicht sinkenden Stückzahlen. Der Absatz verharrt jedoch auf hohem Niveau. Derweil wächst die Nachfrage aus dem Ausland nach wie vor und treibt die Exportquote auf über 40 Prozent.

Allerdings erlebt diese traditionell von vielen kreativen Akteuren geprägte mittelständische Branche einen tiefgreifenden Strukturwandel. Jedes Jahr verschwinden mehrere Hersteller vom Markt. Derweil gewinnen einige große kontinuierlich Marktanteile hinzu. Die Vielfalt schwindet.

Zuletzt ist im Sommer 2017 mit Alno ein Dinosaurier der Branche eingeknickt. Zwei schwächelnde Firmengruppen – Alno und Casawell/Wellmann hatten sich Anfang des letzten Jahrzehnts zu einem Anbieter mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz zusammengetan – unter dem Spott der Konkurrenz, die den »zwei Lahmenden« von Anfang an keine Rennpferd-Qualitäten zutrauten. Tatsächlich stand die Fusion der Nothdurfts (Alno, Pino, Impuls) mit den Wellmanns (Wellmann, Wellpac, Gruco, Geba, Tielsa) unter keinem guten Stern. Profitabel war das zusammengewürfelte Gebilde wohl nie. Aber irgendwie ging es immer weiter. Mehrere Hundert Millionen Euro an der Börse beschafftes und vom zeitweiligen Großaktionär Whirlpool bereitgestelltes Kapital wurden im Lauf der Jahre verbrannt. Der Verschleiß an Vorständen war so groß wie die Zahl der Presseerklärungen, in denen die erfolgreiche Sanierung der zeitweiligen Nr. 1 der Branche vorhergesagt wurde.

Immerhin erhielten über 2000 Arbeitnehmer in Pfullendorf, Brilon, Coswig und Enger bis zum letzten Sommer relativ pünktlich ihr Geld – und sie gehörten nicht zu den Geringverdienern der Branche. Doch im Sommer 2016 zog sich der Gerätehersteller Whirlpool zurück. Zugleich stieg der bosnische Investor Hastor/Tahoe ein. Ein Jahr später war Schluss: Am 12. Juli 2017 wurde der lange erwartete Insolvenzantrag gestellt, zunächst für ein Verfahren in Eigenverantwortung. Doch damit wart nach wenigen Wochen Schluss. Der Insolvenzverwalter rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan: Nach seinem Gutachten war Alno bereits 2013 zahlungsunfähig. Ermittlungen gegen zehn Vorstandsmitglieder wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung halten die Branche in Atem.

Ein Dinosaurier weniger

Alno hat seine Marktmacht verloren – auch wenn die einstigen Töchter Impuls als Teil der Steinhoff-Gruppe und Pino unter der Regie von Nobilia weitermachen und auch in Pfullendorf wieder 300 Mitarbeiter für die mit Unterstützung Roland Bergers gegründete »Neue Alno« tätig sind. Der Einfluss auf die Einkaufsverbände ist dahin. Aktuell wird die Branche mehr denn je vom ihrem einzigen Umsatzmilliardär Nobilia in Verl dominiert. Die drei nächstgrößten Wettbewerber Häcker in Rödinghausen, Schüller in Herrieden und Nolte in Löhne bringen es zusammen auf 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Alle vier wachsen stärker als die Branche insgesamt und hegen ehrgeizige Erweiterungspläne, wobei Nobilia neben der Expansion am Heimatstandort auch eine Fabrik für den Export nach Frankreich in Saarlouis plant.

Die Konsolidierung schreitet voran

Auf die vier Großen entfallen 60 Prozent der in Deutschland produzierten Küchen. Es lässt sich leicht ausmalen, wohin die Reise geht: Die massiv angesteuerten Zuwächse werden entweder im Export oder durch Verdrängung im stagnierenden Inlandsmarkt realisiert. Der Vielfalt auf der Herstellerseite dient das nicht. Die Zahl der industriellen Wettbewerber in Deutschland wird weiter schrumpfen.

Kampf gegen Windmühlen?

Eröffnet die drohende Verödung den Individualisten unter den Küchenbauern aus dem Handwerk neue Chancen? Entstehen neue Allianzen von Kleinserienfertigern und handwerklichen Problemlösern? Nichts spricht dafür, dass nur die Großen die digitalen Chancen zu nutzen verstehen.


Als Wirtschaftsredakteur bei der Neuen Westfälischen hat Hartmut Braun die Möbel- und speziell die Küchenmöbelindustrie ein ganzes Berufsleben lang begleitet und gilt unter den Journalisten als der Kenner der Branche.

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