Farbe und Raum

urban matters

Als reines Anlagenobjekt hatte das Gebäude aus der Gründerzeit in den letzten Jahrzehnten sehr wenig Zuwendung erfahren. Eine Gaststätte im Erdgeschoss war in den 70er-Jahren »total saniert« worden und stand bereits lange leer. Im Jahr 2005 wollte der frühere Eigentümer das Haus in Eigentumswohnungen aufteilen. Die Wohnungen in den oberen Stockwerken waren durch ihren Originalzustand an sich attraktiv, ohne ein neues Konzept für das Erdgeschoss allerdings schwer verkäuflich. Dessen Nutzung als Wohnung erschien dem Eigentümer wegen des am Haus verlaufenden Gehwegs zunächst ebenso aussichtslos wie der Verkauf als Gewerbefläche. Das Büro für Architektur und Stadtentwicklung »urban matters« entwickelte ein Nutzungs- und Sanierungskonzept für das gesamte Objekt.

Mit dem Leitgedanken, dass die Innenstadt als Wohngegend für eine junge, gut verdienende Zielgruppe dann interessant ist, wenn eine hohe Qualität von Innen- und Außenraum entwickelt werden kann, wurde das Erdgeschoss als Wohnung umgebaut und konnte bereits im Rohbauzustand verkauft werden. Der weitere Ausbau geschah dann in enger Abstimmung zwischen urban matters und den Käufern.

Der Hofbereich wurde geteilt und für die EG-Wohnung ein Garten angelegt, an den ein Autostellplatz anschließt. In der dicht bebauten und beparkten City ist das ein wahrer Luxus. Innen wurden überflüssige An- und Einbauten entfernt, sodass ein offener Raum entstand. Trotz Baufälligkeit wurde der ehemalige Küchenanbau erhalten und ein großes, nach Westen bezogenes Wohnzimmer ermöglicht. So entstand die vielschichtige Mischung aus Gründerzeit-, Loft- und Hofhaustypologie.

Es wurde ein spezifischer Lebensraum entwickelt, der den Gründerzeitcharakter mit modernen Wohnvorstellungen verbindet. Das offene Konzept passt sich jederzeit veränderten Bedürfnissen an. Die Begegnung von alten und neuen Gebäudeschichten, das Nebeneinander von Brüchen und Zeitspuren ist das tragende Thema, welches sich bis in die Möbelebene und Farbkonzept fortsetzt.

Ein am Modell entwickeltes Farbkonzept reagiert mit freundlichen und aktiven Farben auf die Lichtsituation im Erdgeschoss und setzt bewusst inszenierte Blickbeziehungen in den Außenraum. Der Wohnraum erweitert sich visuell bis zum nächsten Blockrand. Angelehnt an den Vergrauungseffekt bei der Wahrnehmung in einer Landschaft wurden für die flächigen Farbwände leichtere Töne gewählt, die auf Ziegelwände, Sandsteinsockel, Bäume etc. Bezug nehmen. Dagegen wurden in den Regalnischen einzelne, kräftige Farbspots gesetzt, welche die Räume auf einer weiteren Ebene verflechten.

Der strategische Nachteil der Erdgeschosssituation wird im Zusammenspiel der verschiedenen Maßnahmen aus Gartengestaltung, Raum-, Möbel- und Farbkonzept in eine fein abgestimmte Atmosphäre transformiert, deren ganz eigenständiger Charakter von der leben- digen Farbigkeit unterstützt wird.

Manu Weismann

urban matters bda Büro für Architektur und Stadtentwicklung Manu und Markus Weismann 70182 Stuttgart Tel.: (0711) 2599–813, Fax: –318 www.urbanmatters.net