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Ein Berufsleben lang

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Ein Berufsleben lang

Ein Berufsleben lang
Werner Dröge in seinem Reich. 1965 hat er hier als Lehrling angefangen
1965 beginnt Werner Dröge bei Udo Dickerhoff in Bochum seine Tischlerlehre. 43 Jahre später hat er dort seinen letzten Arbeitstag. Es gab gute Gründe, nie in einen anderen Betrieb zu gehen. Und es gab Gründe, vorzeitig auszusteigen.

Der Tischler Werner Dröge ist ein Auslaufmodell. Von der Lehre bis zur Rente in einem Betrieb, das erscheint heute regelrecht exotisch. Wer wie Werner Dröge die Entwicklung eines Unternehmens über Jahrzehnte miterleben konnte, überblickt größere Zusammenhänge. Wenn er erzählt, ist die Polarität zwischen früher und heute das Versmaß, und zwischen den Zeilen empfindet man die Lust, aber auch den Frust seines Arbeitslebens.

Als in der Tischlerei Dickerhoff die Führung vom Vater auf den technisch und betriebswirtschaftlich orientierten Sohn übergeht, ist das für Werner Dröge der Beginn einer Entfremdung von dem, was ihm das Glück seines Berufes war. Die Zeiten, als die Werkstatt noch voller Feierabendprojekte stand und »Udo« eher väterlicher Freund als Chef war, sind vorbei. Der neue Chef rechnet für Privatarbeit Maschinenstunden ab und will keine Fragmente in der Werkstatt stehen haben. Udo hat das nicht gestört. Im Gegenteil, er hat sich für die privaten Projekte interessiert und sie als Freude am Handwerk verbucht. Bei Udo hatte jeder seine Nische. Das ist der Tenor im Gespräch mit Werner Dröge.
»Zur Zeit meiner Ausbildung haben wir noch Einfamilienhäuser von oben bis unten eingerichtet. Wir waren etwa zehn Gesellen und sechs Lehrlinge. Neben Udo Dickerhoff gab es einen Werkstattmeister. Wir hatten reichlich zu tun. Ich bin recht schnell in die Arbeit im Maschinenraum hereingewachsen. Das war für mich eine Herausforderung: Auf Maß zuschneiden, Schrägen und Rundungen herstellen … Udo hat mit mir die Aufträge durchgesprochen und ich habe das umgesetzt. Nachdem der Werkstattmeister Mitte der 70er-Jahre ausgeschieden ist, habe ich auch die Bestellung von Platten übernommen. Um Massivholz und Furnier hat sich Udo selbst gekümmert. Hinterher war ich allein als Maschinenschreiner und für die Arbeitsvorbereitung zuständig. Es hat jeder so seine Stärken. Und dafür hatte Udo ein Gespür.«
Dass der Firma heute wirtschaftlich ein anderer Wind als damals ins Gesicht bläst, weiß Werner Dröge. Trotzdem ist er unzufrieden mit den Veränderungen, die mit einer neuen Ausrichtung einher gehen mussten. Das Fundament seiner beruflichen Identität hat Udo Dickerhoff gelegt. Ihm fühlt sich Werner Dröge tief verbunden, wegen diesem Einklang hat er auch nie den Gedanken gehabt, den Betrieb zu wechseln. Zweimal gab es ein ernstzunehmendes Angebot.
»Man bekommt schneller Anerkennung, wenn man in jungen Jahren die Firma wechselt. Ich hätte einen kleinen Betrieb übernehmen können oder anderswo als Maschinenschreiner für 50 Pfennig die Stunde mehr einsteigen können. Aber die feinen Arbeiten und die Zusammenarbeit mit Udo, das war mir mehr wert und hat mich hier gebunden.
Nach dem Generationswechsel hat sich für mich viel verändert. Bei Udo war gar keine Frage: Fünf Millimeter Massivanleimer, überfurniert. Dann auf einmal nur noch zwei Millimeter von der Rolle. Die Arbeiten für Privatkunden gingen rapide zurück. Daraus entstand nicht weniger Ärger. Man wird durch die großen Ausschreibungen geknebelt und gedrückt. Es ist vorprogrammiert, dass man da kein Geld verdienen kann. Auf Wünsche der Privatkunden einzugehen, das war eine Stärke von Udo, er konnte aus jeder Ecke was Schönes machen.
Die Arbeit ist heute einseitiger und der Stress ist größer. Ich habe damals für einen Auftrag vielleicht zehn Platten klein gemacht, heute kommen die gleich palettenweise angefahren. Die Mengen und Gewichte, auch ein Grund, warum ich mit 58 Jahren ausgestiegen bin.«
Udo Dickerhoff hatte viele Ehrenämter und war häufig unterwegs. Für Werner Dröge bedeutete das, früh entscheiden zu müssen, auch wenn er manches lieber abgeklärt hätte. Dass Fehler gemacht wurden, war in Ordnung. Auch bei Udo ist öfter etwas schief gegangen. So ging es viele Jahre. Dass dann einer kommt, der eher in Frage stellt, rechnet und »moniert«, daran hat sich der Altgeselle nie gewöhnen können.
Inzwischen kümmert sich Werner Dröge um einige Immobilien aus dem Familienbesitz, redet mit Handwerkern, was gemacht werden muss und freut sich, mit seiner Frau nach Bochum zu ziehen. Alles ohne Stress. Bis dato habe er die Werkstatt nicht vermisst. JN
»Jeder hat so seine Stärken. Udo hatte dafür ein Gespür.«
»Die Arbeit ist heute einseitiger geworden.«
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