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Die Zeit drängt

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Die Zeit drängt

Das Bundesinstitut für Berufsbildung sieht Bedarf für die Aus- und Fortbildung von Montagekräften. Diese innerhalb des Tischler- und Schreinerhandwerks anzusiedeln, ist nach Ansicht von Michael Peter eine Chance, die der BHKH dringend wahrnehmen sollte. Ist die Stufenausbildung der Bauwirtschaft ein übertragbares Modell?

Rechtsanwalt Michael Peter, Geschäftsführer Wirtschaftsverband Holz und Kunststoff Saar e. V.

Der Bundesverband Holz und Kunststoff (BHKH) ist seit dem Jahr 2001 auch der Bundesinnungsverband für Montagebetriebe. Trotz Widerständen aus verschiedenen Teilen des organisierten Tischlerhandwerks, die nach wie vor eine Öffnung für Montagebetriebe generell ablehnen, hat die Mitgliederversammlung des Bundesverbandes im letzten Jahr eine wichtige einstimmige Entscheidung getroffen: Danach soll der BHKH eine führende Rolle im Montagebereich übernehmen und konkrete Vorschläge zur Einstiegs- und Fortbildungsqualifikation im Montagegewerbe erarbeiten. Die Zeit drängt, diese Entscheidung umzusetzen.
Vom Baugewerbe lernen
Das Beispiel des Baugewerbes zeigt, wie Einstiegs- und Fortbildungsqualifikation im Montagegewerbe aussehen könnten und wie man konsequent Berufsbildungspolitik auch als Verbandspolitik und damit als integrierenden Ansatz für die ganze Bandbreite einer Branche begreifen kann: Die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft von 1999 vereinheitlicht in einem Gesetz alle Ausbildungsberufe, für die sich der Zentralverband des deutschen Baugewerbes zuständig fühlt. Dort sind im Einzelnen neunzehn Berufe hinsichtlich Berufsbild und Ausbildungsrahmen beschrieben. Um die Berufsbilder nicht zu zersplittern und einen einheitlichen Qualifikationsrahmen zu gewährleisten, werden die einzelnen Berufe nach einer gemeinsamen Grundstufe zunächst in Gruppen zusammengefasst (Hochbau, Tiefbau, Ausbau) und erst im dritten Lehrjahr ausdifferenziert. Am Ende des zweiten Jahres wird die Qualifikation zum Baufacharbeiter erworben, dann erst folgt die Spezialisierung, etwa zum Zimmerer oder Trockenbaumonteur.
Eine Stufenausbildung wie in den Bauberufen macht meines Erachtens auch im Holzgewerbe Sinn. Das Leitbild sollte dabei selbstverständlich das Tischler- und Schreinerhandwerk als das umfassendste und größte Gewerk in diesem Bereich sein. So könnten auch schon lange verloren gegebene Berufe integriert werden. In Zukunft ist weiter mit zurückgehenden Lehrlingszahlen zu rechnen, und eine Ausbildung lediglich zum Parkettleger erscheint zu schmal, um Gesellen möglichst viele Chancen für ihr späteres Berufsleben zu geben. Eine Stufenausbildung im Holzgewerbe würde auch die Möglichkeit eröffnen, eine Ausbildung im Montagebereich zu realisieren. Dies würde der deutlichen Aufspaltung der betrieblichen Schwerpunkte in Montage und Produktion Rechnung tragen und Montagebetriebe berechtigen und verpflichten, ihrerseits Nachwuchskräfte auszubilden.
Mitgestalten oder zuschauen
Die Zeit, aktiv zu werden, ist schon längst gekommen. Die Industrie drängt beim Bundesinstitut für Berufsbildung darauf, neue Berufsbilder zu entwickeln und Gesetz werden zu lassen. Die schon realisierte dreijährige Ausbildung zur Umzugsfachkraft ist da nur ein Beispiel. Dazu gehört auch der angedachte Tür- und Tormonteur oder die so genannte Montagefachkraft für den Innenausbau. Solche vereinzelten Berufsbilder sind nicht zukunftsfähig und verstellen den Weg zu einer ganzheitlichen Lösung.
Es ist vor allem der Blockadehaltung von Handwerk und Gewerkschaft zuzurechnen, wenn solche Ausbildungen nicht im Handwerk angesiedelt werden, sondern bei der Industrie. Denn sachlich wäre das in keinem Fall gerechtfertigt: Montage, ob als Küchenaufbau oder Fenstereinbau, ob als Trockenbau oder das Aufstellen von Trennwandschränken, ist so sehr Handwerk, wie es nur Handwerk sein kann und hat nichts mit Industrie zu tun, also einer arbeitsteiligen, durch Maschineneinsatz geprägten kapitalintensiven Produktion. Montage ist und bleibt eine Tätigkeit mit den Händen und damit zeitaufwendig.
Die Organisationen des Tischler- und Schreinerhandwerks haben den Schlüssel in der Hand, Entwicklungen in diesem Bereich gezielt voranzutreiben und die einmalige Gelegenheit, Berufe des Holzgewerbes unter ihrer Führung zusammenzufassen. Wenn man sich aber organisatorisch und berufspolitisch bereits mit der nächst größeren Gruppe, nämlich der Baufertigteilmontage, schon schwer tut, wird man sich wohl oder übel mit einer Zuschauerrolle zufrieden geben müssen.

Hintergrund Steigende Relevanz der Montagetätigkeiten
Der Strukturwandel im Tischler und Schreinerhandwerk ist amtlich. Einige Aspekte, die zum Umdenken zwingen:
  • Einbau oder Aufbau von zugekauften Teilen nimmt auch in Betrieben nach Anlage A immer mehr Raum ein. Eine Umfrage im Landesverband Saarland ergab Anfang 2009, dass gut 25% der Anlage-A-Betriebe mehr als 50% ihrer Arbeitszeit zugekaufte Teile montieren, manche sogar mehr als 80%.
  • Montage wird nach der Handwerksordnung nicht mehr dem Vorbehaltsbereich des Tischler- und Schreiner (-meisters) zugerechnet. Montieren darf jeder, und zwar alles: Türen, Fenster, Möbel, Innenausbauten und sogar Treppen.
  • Tischler und Schreiner sind hinsichtlich Mitarbeiter- und Lehrlingszahl nach wie vor mit Abstand die größte Gruppe im Holzhandwerk. Doch die Zahl der Betriebe wird mittlerweile von den B-Betrieben, die mit Einbau genormter Baufertigteile in die Handwerksrolle eingetragen sind, überflügelt. Ende Juni 2008 standen 42486 A-Betrieben 46544 Montagebetriebe gegenüber, die aber in diesem Bereich nicht ausbilden dürfen!
  • Die CNC-Technik hat die Produktion erheblich rationalisiert. Die Montage hat sich nicht annähernd im gleichen Maße rationalisieren lassen: Sie ist ähnlich zeitaufwendig wie vor 20 oder 50 Jahren.

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    »Es geht nicht darum, neue Berufsbilder zu entwerfen.« Michael Peter

    Realisierte und geplante Montageberufe
    • Der Trockenbaumonteur ist seit 1999 ein anerkannter Ausbildungsberuf in Industrie und Handwerk. Ausbildungszeit drei Jahre.
    • Die Ausbildung zum Fassadenmonteur gibt es seit 1999. Ausbildungszeit drei Jahre in Industrie und Handel.
    • In Industrie und Handel wird seit 2006 die Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice ausgebildet. Dreijährige Ausbildung.
    • Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat für die Bereiche Montage im Innenausbau sowie die Fenster-, Tür- und Tormontage »eindeutigen Qualifikationsbedarf« festgestellt und empfohlen, den Bedarf möglichst kurzfristig über eine Erstausbildung sowie Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zu decken. (Abschlussbericht Entwicklungsprojekt Neuordnung der Berufsausbildung im Innenausbau sowie in der Fenster-, Tür und Tormontage, August 2009)
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