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Die Wahl des Klebstoffs

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Die Wahl des Klebstoffs

Mit der Wahl des Klebstoffs und des Applikationsverfahrens für die Bekantung legt der Tischler und Schreiner nicht nur fest, welchen Belastungen das Werkstück standhält, sondern auch die Fugenoptik und die Betriebskosten. dds im Gespräch mit Prof. Dr. Klaus Pfuhl von der DHBW Mosbach.

Wie viele und welche Klebstoffsysteme sind heute für das Kantenanleimen relevant?

Vier, oder eigentlich nur noch drei: Es gibt den einfachen Klebstoff für Beanspruchungen im Wohnbereich EVA, für etwas höhere Temperatur- und Feuchtefestigkeiten Polyolefine (PO) und das noch hitze- und feuchtebeständigere Polyurethan (PUR). Der vierte Kleber spielt nur noch eine Nebenrolle: Die Polyolefine haben die zwar sehr hitzebeständigen aber bei Feuchte quellenden und im Schmelzbecken leicht verbrennenden Polyamide weitgehend verdrängt. Ab und zu finden sie jedoch noch Verwendung für schwierige Verklebungen, bei denen es auf eine besonders hohe Klebrigkeit ankommt, z. B. bei HPL-Kanten.
Was zeichnet denn den EVA-Klebstoff aus?
Die Festigkeiten reichen für eine Normalbeanspruchung im Wohnbereich völlig aus. Durch die niedrigere Erweichungstemperatur und das damit breitere Fenster für den Verklebungsprozess ist er etwas einfacher zu beherrschen als Polyolefin- oder PUR-Schmelzklebstoffe. Die Verarbeitungstemperatur von EVA liegt wie bei den Polyolefinen und den Polyamiden bei 180 bis 190 °C jedoch erstarrt er erst bei niedrigeren Temperaturen als PO. Bei EVA bleibt also mehr Zeit, bis die Kante angepresst sein muss.
Was gibt es bei PUR zu beachten?
Es ist nicht einfach, PUR in einem offenen Aufschmelzbecken zu verarbeiten. Wenn der Kleber aufgeschmolzen ist, sollte man ihn zügig aufbrauchen, bevor er in der Maschine mit der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit vernetzt. Es gibt hierfür, beispielsweise von Ima, kleine Aufschmelzgeräte. Sie bestehen aus einem Zylinder, der den PUR-Block aufnimmt und von unten aus nur soviel Klebstoff aufschmilzt wie benötigt. Dieser Aufbau schützt den noch nicht geschmolzene Kleber vor der Hitze und zögert die Vernetzung hinaus. Trotzdem ist das Verleimteil zum Schichtende aufwendig zu reinigen.
Gibt es eine Möglichkeit das Reinigen zu automatisieren oder zu vereinfachen?
Ja, mit einem geschlossenen Aufschmelzgerät, einem Autoklaven, in dem Stickstoff, den Sauerstoff und die Luftfeuchtigkeit vom Kleber fernhält. Solche Geräte gibt es samt Schlitzdüse beispielsweise bei Nordson (www.nordson.de) oder Inatec (www.nordson.de). Das Gerät schalte ich nach der Arbeit einfach aus, und schalte es wieder an, wenn es weitergehen soll. Die dünne Haut, die sich am Düsenaustritt bildet, wird vom neuen Klebstoff hinausgeschoben. Weiterer Vorteil ist die Möglichkeit minimale Mengen aufzutragen, was zum einen teuren Klebstoff spart und zum anderen dem Trend zur fast unsichtbaren Nullfuge entgegenkommt. Nachteilig ist der für Handwerker recht hohe Anschaffungspreis von deutlich über 10 000 Euro. Weiterer Nachteil ist die fehlende Möglichkeit, den Klebstoff immer wieder anders einzufärben, ohne das System leerzufahren.
Gibt es auch preiswertere Lösungen?
Ja, Holzher arbeitet beispielsweise schon seit vielen Jahren mit Schlitzdüsen, die jedoch von keinem reinen Autoklav gefüttert werden. In Kombination mit einem handlichen Patronensystem und einer Reinigungspatrone lässt sich der PUR relativ leicht aus dem System herausschieben. Hier ist auch ein häufiger Farbtonwechsel möglich.
Nullfuge heißt zurzeit das Zauberwort in der Branche. Ist das für Handwerker machbar?
Die Lasertechnik ist zwar in der Anschaffung teuer, aber für viele Spezialisten bestimmt sinnvoll, zumal sich damit neben der Nullfuge auch recht temteratur- und feuchtebeständige Verklebungen realisieren lassen. Ich bin gespannt, was uns das Plasmaverfahren von Düstec bringt. Dünne, kaum sichtbare Fugen lassen sich auch konventionell erzielen, z. B. mit einem Fügefräser, der eine ganz leichte Hohlkehle erzeugt. Wer alle Parameter geschickt aufeinander abstimmt, kann auch die Auftragsmenge reduzieren.
Das Interview führte dds-Redakteur Georg Molinski
»Unter den drei gängigen Klebstoffsystemen findet sich für fast jede Aufgabe eine Lösung.«
Klaus Pfuhl

Service Der Interviewpartner
Prof. Dr. Klaus Pfuhl ist gelernter Tischler, hat in Hamburg Holzwirtschaft studiert und arbeitet seit 2000 als Studiengangsleiter Holztechnik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (früher Berufsakademie) in Mosbach. Nach seinem Studium hat er unter anderem bei dem Klebstoffhersteller H. B. Fuller als Abteilungsleiter im Technologiezentrum gearbeitet. Tel.: (06261) 939-526, Fax -544, pfuhl@dhbw-mosbach.de, 74821 Mosbach
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