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Die LOHAS kommen

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Die LOHAS kommen

Sabine Zöller über den neuen Trend zu Gesundheit und Nachhaltigkeit und wie Tischler und Schreiner davon profitieren können.

Ökologie, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Zukunft sind nicht erst seit der Klimaschutzdebatte ein Thema. So produziert z. B. die Firma Weleda seit 1921 als Unternehmen mit anthroposophischem Hintergrund Arzneimittel und Naturkosmetik. Die Rohstoffe werden in firmeneigenen Heilpflanzengärten biologisch-dynamisch angebaut, von ausgewählten Rohstoffpartnern bezogen oder über Wildsammlung gewonnen. Sie meinen, das sei ein Nischenprodukt, für das sich niemand interessiert? Von wegen! Weleda verzeichnete im Jahr 2006 ein Umsatzplus von 14 %. Spätestens mit der Eröffnung des neuen Flagshipstores »Weleda Espace« im April 2008 in bester Lage in Nähe der Champs-Elysées in Paris hat der Naturkosmetik-Markt die obersten Einkommensschichten erreicht.

Auch die zweistelligen Zuwachsraten der letzten Jahre in der Bio-Lebensmittel-Branche sind atemberaubend. Längs sind die alten Bioläden aus der weltverbesserischen Müsli-Ecke herausgekommen und haben sich zu hellen, trendigen und auf Verkaufsförderung ausgerichteten Läden entwickelt, in denen das Einkaufen hochwertiger Produkte höchsten Komfort, Genuss und Spaß bietet.
Liegt nicht der Schluss nahe, dass, wer sich gesund ernährt, sich auch gesund einrichten möchte?
Zielgruppe LOHAS
In der aktuellen Trendforschung begegnen uns zum Thema Gesundheit, Ökologie und Nachhaltigkeit die »LOHAS«, Menschen, die ihren Lebensstil auf diese Themen ausrichten (LOHAS = Lifestyle of health and sustainability). Sie sollen in den USA bereits 30 % der Kunden ausmachen und in Deutschland knapp im zweistelligen Prozentbereich liegen mit rasch steigender Tendenz.
Sie verfügen in der Regel über ein hohes Einkommen und propagieren den bewussten Konsum. Es geht nicht mehr um Konsumverzicht wie zu Zeiten der alten Ökologie-Bewegung der 80er Jahre, sondern um Konsum, der den Widerspruch von Nachhaltigkeit und Genuss, Umweltorientierung und Design sowie Ethik und Luxus auflöst. Früher waren ökologische Produkte zwar hochwertig von den Produkteigenschaften, nicht jedoch unbedingt vom Aussehen her betrachtet. LOHAS mögen Produkte, die durch ihre Glaubwürdigkeit bestechen, die modernen Design-Ansprüchen gerecht werden, die die Umwelt und die Ressourcen schonen, die sowohl gut für die Gesundheit als auch das eigene Wohlbefinden sind und die unter ethisch vertretbaren Bedingungen produziert worden sind.
Der Trend, dass in puncto Ökologie und Nachhaltigkeit die Glaubwürdigkeit des gesamten Unternehmens, und nicht nur eines einzelnen Produkts im Zentrum der Kaufentscheidung steht, ist auch in der Schreiner- und Tischlerbranche festzustellen. Weniger als früher fragen die Kunden und Kundinnen, was im einzelnen genau z. B. in einem Plattenmaterial enthalten ist. Das Vertrauen des Kunden in das Unternehmen wird vielmehr hergestellt durch das Zusammenspiel von langjähriger Erfahrung auf dem Sektor, der Teilnahme an Zertifizierungen und entsprechenden Öko-Labels, sowie einer Corporate Identity, die auf das Thema zugeschnitten ist. Und nicht zuletzt durch die persönliche Glaubwürdigkeit der Firmeninhaber/-innen und auch der Mitarbeiter/-innen.
Die Kunden und Kundinnen möchten ehrliche Produkte kaufen, von glaubwürdigen Verkäufern und Verkäuferinnen in einem transparenten und authentischen Verkaufsprozess. Eine hohe Qualität der Arbeit wird vorausgesetzt.
Welche Kundengruppen folgen dem Trend zu Gesundheit und Nachhaltigkeit? Es lassen sich nach Werteinstellungen vier große Zielgruppen unterscheiden. Das sind Menschen mit …
  • konventioneller und wertkonservativer Lebenseinstellung
  • Gesundheitsbeschwerden (ohne gesonderte Lebenseinstellung)
  • hohem Lifestyle-Anspruch
  • selbstbestimmtem, unkonventionellem und authentischem Lebensstil
Die Wertkonservativen
Menschen mit konventioneller und wertkonservativer Lebenseinstellung legen Wert auf Qualität, solide Verarbeitung und lange Lebensdauer der Produkte und zeigen eine Präferenz zu Produkten aus Deutschland (Qualität, Tradition). Handwerkliche Fertigung wird aus obigen Gründen honoriert. Man kann zwei Gruppen unterscheiden:
Die Konventionellen. Alter 30–50, mittlere Einkommen, mittlere bis hohe Bildung, meistens Familien mit Kindern, Frauen oft in Teilzeitbeschäftigung, gesicherter Lebensstandard. Zugang zum Thema: Verantwortung für die zukünftige Welt der Kinder
Die wertkonservativ Etablierten (»50plus«). Sie sind sehr gut situiert und verfügen über eine gehobene Bildung. Sie sind Kenner und Käufer exklusiver Markenartikel. Die Kinder sind aus dem Haus und sie haben sowohl die Zeit als auch die finanziellen Mittel, die Umnutzung und Umgestaltung des Hauses in Angriff zu nehmen. Zugang zum Thema: Gesundheit und Qualität
Ein Beispiel: Ehepaar (45–50), gut verdienend, gebildet, Kleinstadt, Kinder aus dem Haus, legt Wert auf solide Qualität. Wertkonservativ und somit ökologisch aufgeschlossen. Sie benötigen im Verkaufsprozess in der Hauptsache:
  • kompetente Beratung und Verkauf aus einer Hand (Chefbehandlung)
  • sachliche Informationen
  • Zertifikate, Broschüren
  • Sicherheit durch Verkäufer-Persönlichkeit, durch Qualität der Rohstoffe und durch Erfahrung (Produkte, die sich bewährt haben)
Die Gesundheitssensiblen
Menschen mit Gesundheitsbeschwerden benötigen über die konkreten Produkte hinaus auch eine Lösung für ihr Krankheits-(Lebens-)Problem. Es liegen vorab keine besonderen Werteinstellungen zugrunde. Für diese Kunden sind von Vorteil: Die Verwendung hochwertiger, getesteter und zertifizierter Materialien, Volldeklarationen, das Einholen von Zusatz-Informationen, die Zusammenarbeit mit Ärzten, Instituten und Selbsthilfegruppen voranzutreiben oder zumindest zu unterstützen. Wenn möglich, eigene Erfahrung einbringen (so fühlen sich insbesondere diese Kunden und Kundinnen gut verstanden und aufgehoben). Untergruppen:
Junge Familien. Alter 25–35, mit Kindern, finanziell noch nicht etabliert, sondern im Existenzaufbau. Sie haben sich mit Ökologie und Nachhaltigkeit noch nicht beschäftigt, da die aktuellen Schwerpunkte woanders liegen (kleine Kinder, Hauskauf, berufliche Anforderungen etc.
Beispiel: Junge Familie mit einem akut erkrankten Kind. Zugang zum Thema: völlig unerwartete Betroffenheit durch ein akut erkranktes bzw. allergisch reagierendes Kind. Sie machen die Erfahrung, dass konventionelle Hersteller und Ärzte ihnen nicht unbedingt helfen können und dass konventionelle Produkte eventuell sogar der Auslöser für die Erkrankung sind. Sie sind stark verunsichert und wissen noch nicht, wie sie sich verhalten sollen. Sie benötigen im Verkaufsprozess in der Hauptsache:
  • bei der Hand genommen zu werden, persönliche Ansprache
  • Ursachensuche: Arzt, Allergologe und Schadstoffanalyse (Labor)
  • Ursachen ausschließen und Beruhigung
  • Beschaffung von Informationen
  • Konzept erstellen: Wege in kleinen Schritten, nicht alles auf einmal
  • Komplettlösungen (von der Wiege über Möbel und Fußböden bis zu den Wänden und Vorhängen)
Allergiker und (chronisch) kranke Menschen. Ihre Situation ist geprägt durch Unsicherheit und dem Gefühl, dass ihnen niemand wirklich helfen kann. Sie haben trotz hoher Eigeninformation großen Beratungsbedarf und suchen Unterstützung, persönlichen Kontakt und jemand, der sich um sie kümmert. Zugang zum Thema: Konventionelle Produkte und Behandlungsmethoden haben keine Erleichterung gebracht.
Beispiel: Ehepaar (55+), Allergiker mit langer Krankengeschichte, Liste der Unverträglichkeiten vorhanden, in neuer Lebensphase (Kinder aus dem Haus), finanziell konsolidiert. Sie benötigen im Verkaufsprozess in der Hauptsache:
  • Vertrauen und Erfahrung
  • endlich jemand, der ihnen wirklich hilft
  • Führung, konkrete Vorschläge, nicht zu viele Alternativen
  • ganzheitliche Konzepte
  • das Gefühl, »sich etwas zu gönnen« (Ausgleich für Leid, neue Lebensphase ohne Kinder)
Die Lifestyle-Orientierten
Menschen mit hohem Lifestyle-Anspruch verlangen höchste Qualität und Modernität der Produkte. Sie interessieren sich insbesondere für hochwertige Materialien und Produkte, Gestaltung und Design, extravagante Ausstattung und ausgefallene Lösungen, besondere Ausführungsdetails, individuelle Einzelstücke und Einzelanfertigungen. Die Produkte sollen sowohl das persönliche Wohlbefinden steigern als auch Aufmerksamkeit im Freundeskreis erzielen. Untergruppen:
Die beruflich Ambitionierten. Alter 30–60, hohe Bildung, oft mit Kindern, aber auch unter Hochdruck arbeitende Doppelverdiener (DINKS = doppeltes Einkommen ohne Kinder), hohe soziale Stellung, hohe bis höchste Einkommen, hoher Lebensstandard, Sinnhaftigkeit des Lebens, Lust auf Trendprodukte, Hang zu Prestigemarken und Extravaganz. Zugang zum Thema: Gesundheit und Wellness, sich etwas gönnen und leisten,
Beispiel: Doppelverdienendes Paar (40–45) ohne Kinder, in größerer Stadt lebend, beruflich sehr engagiert, hohes Einkommen, hoher Lifestyle-Anspruch. Sie benötigen im Verkaufsprozess in der Hauptsache:
  • ausführliches Erstgespräch
  • erstklassiger Entwurf (sich etwas gönnen)
  • vollständiges Konzept (persönlich hinbringen!)
  • trendiger und aktueller Verkaufsprozess (»für Sie habe ich etwas Passendes von der Möbelmesse in Mailand«)
  • Design: Kick durch Hochglanz oder Wertigkeit der Rohstoffe (nachwachsend)
  • technische Features wie z. B. Dampfgarer für die Küche
  • Informationen sinnlich und emotional
  • Entlastung im Verkaufsprozess (perfekte Unterlagen und Ablauf)
  • dass ihnen jedwede Mühe (außer der Entscheidung selbst) abgenommen wird
Die Trendorientierten. Eher jüngere Singles (Alter 25–35) und Berufseinsteiger, aber auch junge Familien. Berufliche und kommunikative Mobilität ist wichtig. Es gibt eine große Offenheit für neue Ideen. Der Freizeit- und Spaß-Faktor spielt eine große Rolle. Zugang zum Thema: Spaß, Lust, Design, Gesundheit, Outdoor und Natur.
Sie sind aufgrund der Kombination von Alter und (noch) nicht so hohem Einkommen noch keine Hauptzielgruppe. Es wäre jedoch einen Gedanken wert, mit welchen Produkten (z. B. aus Gestaltungswettbewerben aus dem Handwerk) man schon mal einen Kontakt zu dieser Gruppe öffnet.
Die Selbstbestimmten
Für Menschen mit selbstbestimmtem, unkonventionellem und authentischem Lebensstil ist der Kauf und Gebrauch von ökologischen Produkten selbstverständlicher Bestandteil ihrer Lebenshaltung. In dieser Gruppe sind ein Teil der »alten« Ökos enthalten.
Sie legen Wert auf ehrliche und faire Produkte, Verzicht auf unnötigen Konsum, Sinnhaftigkeit des Lebens, Bewusstheit, Nachhaltigkeit, Schutz (Klima, Natur, etc.). Sie bevorzugen Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen, Ressourcen schonende Herstellung, Wiederverwertbarkeit und unproblematische Entsorgung, Beschaffung aus regionalen Bezugsquellen, Schonung von Mensch und Umwelt, Sie vermeiden den Kauf von Waren aus Kinderarbeit oder Unterbezahlung. Sie fördern durch ihr Konsumverhalten gerne Projekte des fairen und gerechten Handels (z. B. Gepa) mit den sog. Entwicklungsländern. Untergruppen:
Menschen mit hohem Maß an Selbstbestimmung. Alter 30–50, eher Singles, eher männlich, verschiedenste Berufsbiografien, Selbstständige, sehr individuell. Zugang: Begeisterung für ausgefallene (ökologische) Lösungen, vor allem in der Haustechnik.
Menschen mit besonders authentischem Lebensstil. Alter 30–50, sowohl Familien mit Kindern als auch DINKS, hohe Bildung, bewusstes Leben, hohe Einkommen, Lehrer, Ärzte, Freiberufler, Vorliebe für biografische Möbel. Zugang: Ökologie ist selbstverständlicher Bestandteil im Leben, Reisen, Essen, Bauen und Wohnen.
Marketing für LOHAS
In welchen Schritten sollten Tischler- und Schreiner, die die genannten Zielgruppen angehen wollen, vorgehen?
  • Betrachtung und Analyse des Standortes (städtisch – ländlich, Einzugsgebiet großer Städte, Einkommen der Bevölkerung, Zusammensetzung der Bevölkerung, welche verwandten oder andere »Öko-Branchen« sind auf dem Markt, welche der oben genannten Kundenzielgruppen sind vorhanden etc.)
  • Entscheidung treffen, welche der Kundengruppen man ‘bearbeiten’ möchte
  • diese Gruppen genauer untersuchen: wo arbeiten sie, was arbeiten sie, wo gehen die Kinder in den Kindergarten / zur Schule, was lesen sie, was kaufen sie, wo kaufen sie, was machen sie in ihrer Freizeit, was machen die Kinder in ihrer Freizeit, welche Sportarten, etc.
  • einen Zwei-Jahres-Marketingplan mit kleinen gezielten Schritten erarbeiten
  • das eigene Sortiment und die Produkte hinsichtlich der gewählten Kundenzielgruppen überprüfen, ggfs. um neue passende Produkte ergänzen
  • die eigene Corporate Identity hinsichtlich der Themen ökologische Produktschienen, umweltgerechte und gesunde Produkte in Herstellung und Gebrauch, Nachhaltigkeit in Herstellung und Entsorgung überprüfen
  • die Glaubwürdigkeit des gesamten Betriebes für den Kunden und die Kundin, die einen ehrlichen Verkaufsprozess wünschen, in den Vordergrund stellen.
Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und Gesundheitsverträglichkeit ist nicht mehr nur ein zusätzlicher Nutzen, sondern ist bei vielen Produkten bereits zu einer Produkteigenschaft geworden, die als grundsätzlich angesehen wird – Tendenz steigend. Sabine Zöller

Service Kontakt zur Autorin
Sabine Zöller ist betriebstechnische Beraterin beim Landesinnungsverband für das Tischlerhandwerk in Hessen. Sie arbeitet außerdem selbstständig als Referentin und Beraterin für Unternehmen und Handwerks-Organisationen.

Kompakt LOHAS als Zielgruppe für Schreiner
Als LOHAS bezeichnet die Trendforschung Menschen, die ihren Lebensstil auf Ökologie, Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten (engl.: Lifestyle of health and sustainability). Folgende Zielgruppen zählen ganz oder teilweise hierzu: Menschen …
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