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Diät für Luxusyachten

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Diät für Luxusyachten

Beim Ausbau von Yachten geht es vor allem um Gewichtsersparnis. Wer leichte und dennoch geeignete Materialien einsetzt, kann attraktive Angebote abgeben und günstig produzieren. Timo Hartmüller untersuchte 16 verschiedene Leichtbauplatten.

Für und in Zusammenarbeit mit den Oldenburger Möbelwerkstätten in Dinklage ging ich in meiner Diplomarbeit an der Fachhochschule Rosenheim der Frage nach, welche der aktuellen Leichtbaumaterialien sich für rahmenlose Platten im Yachtinnenausbau eignen. Das Unternehmen ist auf den exklusiven und hochwertigen Innenausbau von Yachten spezialisiert und beschäftigt 175 Mitarbeiter.

Gewichtseinsparung ist seit jeher eine Maxime im Schiffbau. Massenreduktion dient der Treibstoffeinsparung. Die Grenze des Leichtbaus liegt dort, wo der Kostenaufwand gegenüber der Gewichtsreduzierung unverhältnismäßig ansteigt. Fundierte Kenntnisse über das zurzeit enorm wachsende Angebot an Leichtbaumaterialien spielen eine entscheidende Rolle. Sei es bei der Projektplanung, um mögliche Gewichtseinsparungen zu bestimmen, bei der Konstruktion, um ausreichende Festigkeiten zu erzielen, oder um Material- und Lohnkosten zu kalkulieren.
Keine VOB für Schiffe
Ein allgemeines, zusammenhängendes Regelwerk, vergleichbar mit der VOB für den Ausbau von Immobilien, gibt es nicht. Überwiegend sind brandschutztechnische Vorschriften beim Interior vorgegeben. Die Solas (Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See) bildet hierfür die Grundlage. Üblich ist eine Unterscheidung zwischen Platten für Möbel und Einrichtungen ohne brandschutztechnische Vorgaben und für Brandschutzflächen der Kategorien »A«, »B«, »C« und »Schwerentflammbar«.
Holz in der Gunst ganz oben
Die Werkstoffe, die für rahmenlose Sandwichplatten im großen Format geeignet sind, und die den Anforderungen des Yachtinnenausbaus genügen, kommen auch in Branchen wie der Fahrzeugindustrie, Luft- und Raumfahrt, Möbelindustrie, Isoliertechnik, Kunststofftechnik und Bootsbau (Hülle) zum Einsatz. Für die Deckschicht von Leichtbauplatten bietet der Markt Materialien wie MDF, HDF, Dünnspanplatte, Furniersperrholz, HPL, Alublech, Prepreg oder Kunststoff (PVC). Aus Sicht der Materialkosten und des Fertigungsaufwands bieten sich eher Holzwerkstoffe an. Auch in Hinsicht der Beschlagbefestigung bieten sie die kostengünstigste Alternativen. Manchmal ist eine Alubeplankung oder eine schwerentflammbare Glasfaserdeckschicht günstiger.
16 Proben weisen den Weg
Für den Test wählte ich insgesamt 16 verschiedene Sandwich-Konstruktionen aus, die mir für den Ausbau von Yachten sinnvoll erschienen. Um die Optimierung des Leichtbaus und die Grenze des technisch Möglichen auszuloten, wählte ich als Deckschicht MDF und Okumé-Furnierplatten von je 2,5 mm Dicke. Als Kernmaterialien entschied ich mich für branchenübergreifende Werkstoffe wie Aramidwaben, glasfaserverstärkte Kunststoffschäume, Polyurethanschäume, Polyvinylchloridschäume, leichte Holzarten und Silicatplatten. Die Oldenburger Möbelwerkstätten verleimten und verpressten die einzelnen Lagen zu Leichtbau-Sandwich-Elementen. Lediglich die leichten Tischler- und Furnierplatten wurden fertig beschafft.
Neben dem Brandverhalten prüfte ich auch die für den Innenausbau relevante Festigkeiten. Dazu gehört die Biegefestigkeit und das Biegeelastizitätsmodul, die Querzugfestigkeit, der Schraubenauszugswiderstand, die Zeitstandfestigkeit, die Festigkeit von Flächeneckverbindungen und des Verhalten bei Wechselklima (Maßänderung und die Beständigkeit der Kantenbeschichtung).
Nutzen und seine Grenzen
Gewichtsersparnis, Festigkeiten und Preis. Die Ergebnisse zeigen bei den Wabenkonstruktionen die größte Gewichtseinsparung bei gleichzeitig besten Festigkeitswerten. Jedoch ist der Kostenaufwand etwa doppelt so hoch als bei den alternativen Kernmaterialien. Schaumplatten weisen zwar geringere Festigkeiten auf, bieten jedoch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Höhere Festigkeiten bei den Schäumen steigen proportional mit ihrer Rohdichte an. Der Brandschutz stößt hier je nach Schaum sehr schnell an seine Grenzen, wodurch für diese Platten nur ein begrenzter Verwendungsbereich vorhanden ist.
Brandschutz. Bei brandschutztechnischen Faserschaum- und Silikatplatten treten Festigkeitsdefizite auf. Für die Brandschutzflächen A gibt es bisher keine »leichten« Alternativen. Für die Auswahl der Elemente können die Referenzwerte der Holzwerkstoffprüfnormen unter Betrachtung des Werkstoffunterschieds bedingt als Vergleich dienen.
Mechanische Festigkeiten. Durch die dünnen Decklagen ergeben sich nachgiebige Plattenkonstruktionen, die aber eine sehr gute Biegefestigkeit aufweisen. Bei einer Zeitstandfestigkeitsprüfung (Fachbodendurchbiegungsprüfung) lagen alle Plattentypen innerhalb des von der Norm vorgegebenen Toleranzbereichs. Unzureichende Werte bei der Querzugsfestigkeit weisen die Faserschaum- und Silikatplatten auf.
Schraubenauszugswiderstand. Der achsparallele Schraubenauszugswiderstand erweist sich bei den dünnen Decklagen als grenzwertig. Je nach Belastungsart und -richtung der Schraubverbindung sind aber durch Erhöhen der Schraubenanzahl vertretbare Befestigungen möglich. Ein nennenswerter Unterschied zwischen den Deckschichtmaterialien ist nicht erkennbar. Die konstruktive Variante einer weiteren Krafteinleitungsebene in Form einer Mittellage aus Deckschichtmaterial zeigt zwar den erwünschten Effekt des verdoppelten Schraubenausziehwiderstands und geringfügig höheren Festigkeitswerten, hat aber bei geringen Plattenstärken keine Gewichtsersparnisse gegenüber den kostengünstigeren leichten Holzwerkstoffen mit gleichen Widerständen. Des Weiteren übernehmen die Kernschichten bei den Schaum-, Faserschaum- und Silikatplatten nur vernachlässigbare Schraubenauszugwiderstände. Ausnahmen sind hier die mit Füllstoffe modifizierten Polyurethanschäume. Höhere Auszugsfestigkeiten lassen sich auch durch verschiedene Klebeverbindungen und Klebstoffe beobachten. Aufschäumende PUR Verklebungen sind hier besonders erwähnenswert.
Flächeneckverbindung. Die Flächeneckverbindung bei Leichtbauplatten ist ein Themenbereich, für das die Möbelzulieferindustrie bereits diverse Lösungen parat hält. Verschiedenen Hersteller bieten lösbare Verbindungsbeschläge speziell für Leichtbauplatten mit dünnen Decklagen. In vereinzelten Fällen finden auch solche Verbindungselemente auch Verwendung im Yachtinnenausbau. Jedoch besteht die Mehrheit von Flächeneckverbindung aus den klassischen, nicht lösbaren Verbindungsarten. Dabei geht es weniger um die Stabilität, als um die Exklusivität der Einrichtungen zu gewährleisten. Die meist angewandten Verbindungsarten sind die Verklebung auf Gehrung mit einer 45°-Fuge und die stumpfe Eckverleimung mit Holzverbinder und einer 90°-Fuge. Diese Varianten sind bei den Sandwichkonstruktionen auf ihre Winkelsteifigkeit und die Biegebruchmomente hin untersucht worden. Durch die Homogenität bzw. der geringen Zellweite der Kernmaterialien zeigen sich auch hier unerwartet gute Ergebnisse. Das Bruchmoment liegt dabei nur geringfügig unter dem von Spanplatten. Große Differenzen ergeben sich aber bei der Steifigkeit. So ist die Kompression des Kerns, der Schwachpunkt bei Belastung der Eckverbindung. Diese steht im direkten Zusammenhang der Druckfestigkeit des Kernmaterials.
Kantenbeschichtung. Die Kantenbeschichtung stellt anhand der Plattendicke von nur 20 mm keine Problematik dar. Durch die entsprechende Bekantungstechnik der Oldenburger Möbelwerkstätten wiesen eine 2-mm-Furnierkante und eine 14-mm-Vollholzkante bei allen Probeplatten, auch nach einer Wechselklimaprüfung, gute und ausreichende Festigkeiten auf.
Klimaprüfung. Die Klimaprüfung dauerte 20 Tage. Das Klima schwankte in Viertageszyklen zwischen 40 °C/ 90 % Luftfeuchte und 10 °C/20 % Luftfeuchte. Das Augenmerk richtet sich auf die Maßänderungen. Zu Materialbruch aufgrund unterschiedlicher Ausdehnungen kam es nicht. Die ermittelten Toleranzspannen dienen jetzt als Planungshilfe. Weiterhin überprüfte ich die Beständigkeit der Eckverbindungen im Klimatest. Ein Festigkeitsverlust konnte ich nicht festgestellen. Durch die geringe Deckschicht und somit kleine Klebefläche im Außenbereich der Kante von Wabenplatten, sind vereinzelte Öffnungen der Klebefuge während der Extremklima zu beobachten.
Fazit
Die universelle Leichtbauplatte für den Yachtinnenausbau gibt es nicht. Das hohe Maß an Individualität im Interior von Yachten erfordert die Anpassung der Werkstoffe bzw. der Werkstoffkombinationen an die Konstruktion und das Design. Die Vielfalt der Aufbauvarianten für Sandwichelemente ergibt sich aus dem Spektrum der verwendbaren Materialien. Die Optimierung erfolgt über die Auswahl der Materialien in Hinblick auf ihre spätere Verwendung. Dies ist in der Yacht-Innenausbaubranche durchaus möglich, da die Bearbeitungsdauer und Planungszeit genügend Spielraum lassen, um Werkstoffe nach Bedarf zu beschaffen.
Die Haupterkenntnis ist, dass die herkömmliche Leichtbauplatte mit Rahmenhölzern durchaus durch eine rahmenlose ersetzbar ist. Die Kostenersparnis ergibt sich aus einem vereinfachten und verkürzen Fertigungsablauf. Das günstigere Handling – vergleichbar mit dem einer Spannplatte – und wegfallende Arbeitsschritte gestatten etwas höhere Materialpreise.
Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen lassen sich die Eigenschaften von Leichtbauplatten genauer bewerten und einplanen. Dies bezieht sich nicht nur auf die hier getesteten Materialien. Die Erkenntnisse lassen sich auf Sandwichkonstruktionen aus vergleichbaren Materialien übertragen.
Timo Hartmüller


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»Die Vielfalt der leichten Werkstoffe bietet für die meisten Anforderungen eine Lösung.« Timo Hartmüller

Kompakt Rahmenlos heißt Kostenersparnis
Timo Hartmüller zeigt, dass der Innenausbauer leichte Einrichtungen auch kostengünstig ohne Rahmenholzkonstruktionen herstellen kann. Mit der geschickten Wahl der Sandwichmaterialien lassen sich verschiedene mechanische Anforderungen und Brandschutzauflagen erfüllen. Die Kostenersparnis ergibt sich aufgrund eines vereinfachten Fertigungsablaufs. Das einfache Handling und wegfallende Arbeitsschritte gestatten einen etwas höheren Materialpreis.
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