1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite » Allgemein »

Der Überzeugungstäter

Allgemein
Der Überzeugungstäter

»Ich habe noch nie verstanden, warum jemand einen großen Betrieb haben möchte!« sagt Gerhard Wahl. Seine Werkstatt ist klein aber fein – und er kann sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen.

Gerhard Wahl runzelt die Stirn. Die Frage, ob er sich vorstellen könne, eine richtig große Schreinerei zu haben, löst offensichtlich ein gewisses Unverständnis bei ihm aus.

Der 49-jährige hat einen kleinen Betrieb in Sulzbach-Laufen, einem Dorf im Kochertal, etwa 70 km nördöstlich von Stuttgart. Er hat sich konsequent auf hochwertige, streng ökologisch gefertigte Möbel ausgerichtet. Die Entwürfe basieren auf eigenen Ideen und Anregungen von Kunden. Umgesetzt werden sie nach festgelegten Design- und Konstruktionsprinzipien. Stolz zeigt Wahl seinen Produktkatalog, der auf diese Weise im Lauf der Jahre entstanden ist: Betten, Schränke, Küchenmöbel, eine Garderobe, Büromöbel, einen begehbaren Kleiderschrank, etc. Die Möbel sind mittlerweile bei über 100 Kunden »zu Hause«.
Die Philosophie dahinter
Sein Selbstverständnis als Schreiner und Betriebsinhaber beschreibt Gerhard Wahl folgendermaßen: »Wir machen nur das, was wir hundertprozentig können. Alles andere lassen wir diejenigen fertigen, die das besser können.« Zu ersterem zählt er z. B. die Massivholzverarbeitung und die Oberflächengestaltung.
»Wir setzen Öle und Wachse ein und haben uns im Lauf der Jahre ein umfangreiches Expertenwissen angeeignet« erklärt er. Dazu hat er beispielsweise an Forschungsvorhaben der Fraunhofer-Gesellschaft teilgenommen, in der verschiedene Öle und Wachse auf ihre Beständigkeit und Konsistenz getestet wurden. Er kann so, je nach Einsatz des Möbels, unterschiedliche Verfahren anwenden. Seine Kunden bekommen zu jedem Möbelstück eine Produktbeschreibung, in der die verarbeiteten Materialien aufgeführt und Hinweise zur Pflege und Entsorgung enthalten sind.
Bei der Durchsicht seines Kataloges fällt auf, dass er gerne auch mit Linoleum arbeitet. »Linoleum ist ein Material, das aus natürlichen Rohstoffen zusammengesetzt ist. Es erfüllt daher alle ökologischen Kriterien und ist vom Gebrauchsnutzen her hervorragend für unsere Möbel geeignet.« Auch hier hat er sich ein umfangreiches Fachwissen angeeignet und kann das Material heute voll professionell verarbeiten. U.a. verfügt er über eine große Linoleumpresse, die er einem Industriebetrieb abgekauft hat.
Wie konsequent er seine Firmenphilosophie umsetzt, zeigt sich aber auch in einem anderen Bereich: Gerhard Wahl hat für seine Produkte eine Wertschöpfung und Fertigungstiefe von etwa 90 bis 95%. Außer dem Rohmaterial und Zubehör wie Beschlägen o.ä. kauft er kaum zu. »Wir arbeiten mit anderen Betrieben zusammen, wenn es um Arbeiten geht, die wir nicht machen können, etwa wenn ein Kunde sein Möbel lackiert haben möchte. Auch Teile wie etwa einen Handlauf lassen wir fertigen. Aber alles andere machen wir selbst.« Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass er nicht alle Aufträge alleine abwickeln kann. »Tische und Stühle z.B. kaufen wir bei Kollegen aus Vorarlberg zu – die liefern eine super Arbeit ab. Es ist wichtig, den Kunden alles zusammen anbieten zu können – in gleich guter Qualität.«
Hohe Fertigungstiefe
Wer die Werkstatt von Gerhard Wahl betritt, dem fällt sofort der umfangreiche Maschinenpark auf, der eher untypisch für einen Kleinstbetrieb ist. Neben der bereits erwähnten Linoleumpresse finden sich eine Breitbandschleifmaschine, eine Korpuspresse, eine Kreuzsprossenfräse usw. Viel Zeit hat er aufgewendet, um die Maschinen auf Auktionen zu kaufen. Derzeit denkt er über den Kauf eines CNC-Bearbeitungszentrums nach. Ob sich das betriebswirtschaftlich lohnt? Wieder so eine Frage, die Stirnrunzeln hervorruft. »Ich habe sicherlich nicht die Maschinenlaufzeiten, die der Hersteller für seine Maschine als optimal angibt. Aber bevor ich Geld, das ich gespart habe, in einen Investmentfonds gebe und mich dann ärgere, wenn der an Wert verliert, kaufe ich mir lieber eine Maschine. Mir ist wichtig, dass ich damit wieder bessere Möbel bauen kann.«
Dass er rationell fertigen kann, verdankt er zum einen seinen Maschinen, zum anderen der konsequenten Anwendung seiner Designprinzipien. »Wir haben genaue Produktions- und Ablaufpläne, die ich auf Excel-Basis angefertigt habe. Da sind die Maschineneinstellungen bereits definiert und die einzelnen Produktionsschritte genau festgelegt. Wir erreichen damit trotz unserer kleinen Betriebsgröße ein entsprechendes Maß an Effizienz und Rationalität in unserer Produktion.« Diese sehr strukturierte Arbeitsweise ermöglicht es ihm zum einen, gut zu kalkulieren, weil der Material- und Arbeitseinsatz sehr exakt bestimmt ist. Zum anderen kann er so seine Zeit gut planen und auch ausreichend Puffer für die Montage lassen.
Großer Kundenkreis
Seine Kunden findet er in einem großen Gebiet, das bis ins 160 km entfernte Karlsruhe reicht. Er macht kaum Werbung, seine Kunden kommen vor allem durch Mundpropaganda zu ihm. Darüber hinaus hilft ihm seine Mitgliedschaft in der Umweltgemeinschaft des Schreinerhandwerks, deren Vorsitzender er auch ist. Zudem nimmt er regelmäßig an Messen und Ausstellungen teil, auf denen er seine Möbel der Öffentlichkeit präsentieren kann. Wie er denn den Service sicherstellen kann, wenn seine Kunden teilweise doch von weit weg herkommen? »Wir haben sehr wenige Reklamationen. Aber wenn das mal vorkommt, dann packe ich die Familie ins Auto und wir machen einen Familienausflug, den ich dann damit verbinden kann.«
Das Konzept seines Betriebes scheint aufzugehen. Über mangelnde Arbeit und Aufträge kann er sich jedenfalls nicht beklagen. Im vergangenen Jahr hat er einen Auftrag für die Inneneinrichtung eines ganzen Einfamilienhauses bekommen. Ein Betrieb wie seiner ist damit eine ziemliche Weile beschäftigt. Bevor die Möbel ausgeliefert wurden, hat er die Gelegenheit genutzt und eine kleine Ausstellung in seiner Gemeinde damit veranstaltet, die sehr gut angekommen ist. »Mir ist wichtig, dass die Menschen vor Ort wissen, was wir können.« Kai Sonntag
Aktuelles Heft
Titelbild dds - das magazin für möbel und ausbau 3
Aktuelle Ausgabe
03/2024
EINZELHEFT
ABO
dds-Zulieferforum
Tischlerhandwerk in Zahlen

Zahl der Betriebe im Tischlerhandwerk

dds auf Facebook


dds auf YouTube

Im dds-Channel auf YouTube finden Sie:
– Videos zu Beiträgen aus dds
– Kollegen stellen sich vor
– Praxistipps-Videos
– Maschinen & Werkzeuge

Abonnieren Sie dds auf YouTube »