Coronavirus im Tischlerhandwerk
Wie gehen Kollegen mit der Situation um?
20. März 2020
Frank Ackermann, Georg Ackermann GmbH, Wiesenbronn:: Bis jetzt hat uns Corona noch nicht erwischt und wir tun vieles dafür, dass wir optimal vorbereitet sind. Neben Hygienevorkehrungen tritt jetzt unsere weitreichendste Maßnahme in Kraft: Wir ziehen den kompletten Betrieb mit rund 125 Mitarbeitern von der Arbeitsvorbereitung über Büros bis hin zur Fertigung in eine Früh- und Spätschicht auseinander. Eine halbe Stunde Zeitpuffer zwischen Ende der Früh- und Anfang der Spätschicht soll verhindern, dass Mitarbeiter der einen Schicht Kollegen der anderen begegnen. Sollte trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch eine Infektion auftreten, bleibt wenigstens die Produktionskraft des halben Betriebs erhalten. Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt. Zu den weiteren Maßnahmen gehören das Aushandeln neuer Kontokorrentlinien und eine neue Infektions-Telefonhotline für unsere Mitarbeiter, die meine Frau betreut. Sollte eine Infektion auftreten, werden wir das offen kommunizieren.

Matthias Brack, Brack Wintergarten, Altusried: Wir haben Aufträge bis September und bisher auch keine Stornierungen. Als Wintergartenbauer haben wir aber auch am erst 1. März wieder so richtig begonnen und gehen eigentlich jetzt in die heiße Phase. Im Betrieb wird relativ normal gearbeitet. Die Mitarbeiter halten Abstand untereinander. Wir haben Aushänge zu den Hygienemaßnahmen gemacht und auch Desinfektionsmittelspender aufgestellt. In der AV haben wir Einzelbüros, das ist unproblematisch. Um die Liquidität zu schonen, habe ich meine Mitarbeiter angewiesen, Material erst zu bestellen, wenn es wirklich nötig ist. Auch Anfragen von Kunden kommen noch, wenn auch weniger als üblich.

Erhard John, Reichert Holztechnik, Pfalzgrafenweiler: Unmittelbare Auswirkungen von Corona verspüren wir noch nicht. Der Krankenstand ist normal. Jedoch müssen mehrere unserer 65 Mitarbeiter ihre Kinder betreuen, weil die Schulen geschlossen sind. Zwei Mitarbeiter gehören zur Risikogruppe und kommen zurzeit nicht mehr. Aktuell haben wir eine erfreulich gute Auftragslage und freuen uns über jede Arbeitskraft. Jetzt kommt uns unser flexibles Arbeitszeitmodell zugute, sodass alle Einsatzfähigen mehr arbeiten. Außerdem erweist sich unsere Belegschaft als flexibel und kompromissbereit. So wechseln sich zum Beispiel bei uns arbeitende Ehepartner mit der Kinderbetreuung und der Arbeit gegenseitig ab.

Bernward Dickerhoff, Tischlerei Dickerhoff, Bochum: Wesentlich ist, dass wir, wenn auch unter Einbehaltung von Regeln, weiterarbeiten können und der Betrieb nicht wie beim Einzelhandel oder der Gastronomie einfach stillgelegt wird. Meine Frau hat mich gedrängt, früh zu handeln, und mich unterstützt, Regeln für die Tischlerei aufzustellen. Jetzt teilt sich die 17-köpfige Belegschaft in vier Teams, die Abstand voneinander halten und beispielsweise zeitversetzt in die Pause gehen. Ein Team arbeitet zurzeit in der Werkstatt, eines ist auf Montage und ein weiteres im Büro. Sollte eine Infektion auftreten, blieben noch drei von vier Teams übrig, die den Betrieb aufrechterhalten. Nur die Belegschaft betritt die Werkstatt. Unsere Lieferanten legen die Ware vor der Tür ab und erhalten keine Unterschrift mehr. Auch bei der Montage achten wir auf Abstand.

Siegrfried Reichenberger, Möbel Reicheneberger, Ainring: Zunächst einmal hatten wir Glück im Unglück, denn unser 125. Firmenjubiläum konnten wir kürzlich noch unbehelligt von Corona feiern. Mein Möbelhaus in Ainring, kurz vor Salzburg an österreichischen Grenze, mit 4500 m2 Verkaufsfläche und 45 Mitarbeitern muss ich jetzt bis auf Weiteres schließen. In Bayern dürfen nämlich nur Läden mit Gütern für den täglichen Gebrauch öffnen. Auf jeden Fall bleiben wir telefonisch erreichbar und können helfen, wenn sich etwa ein Schrank nicht öffnen lässt. Meine Schreinerei mit zwölf Mitarbeitern arbeitet weiter. Alle drei Stunden desinfiziert ein Mitarbeiter die Touchscreens der Maschinen, die Türklinken und das, was wir immer wieder anfassen müssen. Corona-bedingte Probleme gibt es teilweise bei der Materialversorgung aus Österreich, etwa bei Granit-Arbeitsplatten oder Dunstabzügen.

Der Coronavirus verändert alles – auch im Tischlerhandwerk. Privat ist der Rückzug in die Wohnung angesagt. Kontakte sind möglichst zu meiden. Unter diesen Umständen ist es nicht leicht, den Betrieb der Schreinerei aufrecht zu erhalten. dds hat nachgefragt, was Kollegen dafür tun.
Weitere Infos zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf das Handwerk gibt es hier.
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