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»Beharrlichkeit zahlt sich aus«

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»Beharrlichkeit zahlt sich aus«

Die EU hat vor neun Jahren den flüchtigen Lösemittelbestandteilen (VOC) den Kampf angesagt. Seitdem entwickelt die deutsche Lackindustrie eifrig alternative Lacke. dds fragte Dr. Alfred Mineif, den Vorsitzenden der Fachgruppe Holzlacke im VDL, was dabei herausgekommen ist.

Seit neun Jahren gilt die VOC-Richtlinie und dennoch ist der Lösemittellack aus der Schreinerei immer noch nicht wegzudenken. Verweigert die Branche ihren Beitrag zur Reinhaltung der Luft?

Nein, die Tischler und Schreiner wollen schon lösemittelarm arbeiten, jedoch bringen speziell die Wasserlacke aber auch die lösemittelreduzierten Lacke Nachteile mit sich. Hier müssen sich die Verarbeiter sowohl in der Arbeitsweise als auch technisch umstellen. Einige Betriebe haben das bereits gemacht, andere zögern noch oder haben nur zum Teil umgestellt. Dafür habe ich Verständnis, weil die alternativen Lacke für bestimmte Qualitäten noch nicht technologisch gleichwertig das erfüllen, was bei klassischen Lacken längst Standard ist. Industriebetriebe mit einem großen Lackdurchsatz haben es da leichter, weil sie anlagentechnisch vieles ausgleichen können. Dazu gehören Schleifautomaten oder Trockenanlagen, die die Wartezeiten drastisch verkürzen.
Wie viele Tonnen Holzlack produzieren denn die deutschen Hersteller im Jahr?
Jährlich etwa 68 000 Tonnen, das sind etwa vier Prozent der gesamten Lackproduktion. Ein Drittel davon geht an das Handwerk. Die letzte vollständige Aufgliederung aus dem Jahr 2006 weist einen Lösemittellackanteil von 53 Prozent aus, Wasserlacke 33, strahlenhärtende Systeme elf und Highsolid-Lacke drei Prozent. Seit dieser Erhebung verzeichnen wir weitere Zuwächse bei Wasser- und Highsolid-Lacken.
Welche Probleme treten denn mit den neuen Lacken auf?
Bei Wasserlacken gibt es Probleme mit der Aufrauung des Holzes, mit längeren Trockenzeiten, einer relativ hohen Mindestverarbeitungstemperatur und insgesamt engeren Fenstern für alle Verarbeitungsparameter. Außerdem sollte die Spritzanlage möglichst in Edelstahl ausgeführt sein. Bei den lösemittelarmen Systemen liegt der Festkörperanteil bei bis zu 60 Prozent, während ein konventioneller Klarlack nur etwa 20 Prozent aufweist. Vielen Verarbeitern fällt es schwer, sich beim Spritzen auf nur ein Drittel der gewohnten Auftragsmenge einzustellen.
Ist hier das Handwerk gegenüber der Industrie benachteiligt?
Die Handwerksbetriebe haben es hier schon schwerer. Große Industrieanwender mit einem Lackverbrauch von über fünf bzw. 15 Tonnen im Jahr arbeiten mit einem Reduzierungsplan oder fallen gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der europäischen VOC-Verordnung bzw. genauer der deutschen Decopaint-Richtlinie. Sie dürfen gemäß der 31. BImSchV Lösemittellacke verarbeiten, wenn sie technisch für eine Nachverbrennung der VOC sorgen. Andererseits fällt es ihnen wie gesagt leichter, die alternativen Lacke anlagentechnisch zu beherrschen.
Begrüßen oder verfluchen Sie die strengen Umweltauflagen?
Wir wollen uns hier unserer Verantwortung nicht entziehen, jedoch müssen wir feststellen, dass die einzelnen EU-Staaten die Vorgaben aus Brüssel für ihre nationalen Regelwerke sehr unterschiedlich interpretieren. Die schärfsten Regelungen gibt es wohl in Deutschland, Holland und vielleicht Dänemark, während andere Länder wie Frankreich, Italien oder England recht moderate Bestimmungen formuliert haben. So gilt in Großbritannien die nationale Umsetzung der VOC-Verordnung nur für Lackierarbeiten, die beim Kunden auf der Baustelle vorgenommen werden. Was der englische Tischler in seiner Spritzkabine macht, bleibt davon völlig unberührt. Die fehlende Harmonisierung der VOC-Vorschriften führt natürlich zu realen Wettbewerbsnachteilen, beispielsweise für Deutschland oder Holland. Die Betriebe schauen sich um, ob das Lackieren im Nachbarland nicht günstiger ist oder können im inzwischen häufig grenzüberschreitenden Wettbewerb nicht mithalten. Betroffen sind davon nicht nur unsere Verarbeiter, sondern auch die deutschen Lackhersteller. Sie müssen sowohl die umweltauflagenbedingte Verlagerung von Lackierarbeiten ins Ausland kompensieren als auch einen enormen Entwicklungsaufwand für lösemittelarme Lacke betreiben.
Wie intensiv arbeiten denn die deutschen Lackhersteller an diesem Thema?
Seit zehn Jahren läuft die Entwicklung mit aller Kraft auf Hochtouren, und zwar bei uns Lackherstellern als auch bei unseren Bindemittellieferanten. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Wasserlacke der neuen Generation, die aktuellen lösemittelreduzierten Lacke und Hybridsysteme sind so leistungsstark, wie wir es uns damals nicht vorstellen konnten. Inzwischen haben wir schon so viel verbessert, dass jeder kleine weitere Fortschritt eines immer höheren Entwicklungsaufwands bedarf. Wir bleiben dennoch dran, Beharrlichkeit zahlt sich aus!
Das Interview führte dds-Redakteur Georg Molinski
»Europaweit uneinheitliche Auslegungen benachteiligen uns«
Dr. Alfred Mineif

Der Interviewpartner
Dr. Alfred Mineif ist Vorsitzender der Fachgruppe Holzlacke im Verband der deutschen Lackindustrie in Frankfurt und Geschäftsführer (Technik) der Alfred Clouth Lackfabrik GmbH & Co. KG in Offenbach
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