Die Story war einfach perfekt: Zwölf junge niederländische Designerinnen und Designer präsentieren im Amsterdamer Rotlichtviertel ihre Möbelkunst in den Fenstern, in denen sonst Prostituierte Kontakt zu ihren Freiern anbahnen. Ihre Möbel sind in einen Kontext zu sehen, der primär mit Sinneslust und Zeigefreudigkeit verbunden wird: Lustobjekte, die nur dazu einladen, angefasst zu werden, als unverblümte Parallele zur käuflichen Liebe. Hätte man wittern können, dass die Story womöglich frei erfunden ist? Weil die Lust zur Provokation zum niederländischen Design passt, wie zu »den Deutschen« die Pedanterie, sind wir nicht auf die Idee gekommen, im Rotlichtviertel Amsterdam zu recherchieren, ob es dort eine solche Ausstellung tatsächlich gibt! Angestachelt durch die Freude an der Zweideutigkeit,
haben wir den originellen Kleinmöbeln Titel verliehen: »Persönlich verstrickt«, »Zwangsfgeführt«, »Frei und nachgiebig« …
Wie sich wenig später eher durch einen Zufall auf der Kölner Möbelmesse herausstellte, handelt es sich bei den neckischen Möbeln um studentische Arbeiten der Hochschule Kaiserslautern: Eine Designergruppe »Idyll« gab es ebenso wenig wie die Ausstellung im Amsterdamer Rotlichtviertel. Beides wurde in einem Masterprojekt im Studium Innenarchitektur frei erfunden. Zur Authentizität dieses Projektes gehöre, so der betreuende Professor Jens Wendland damals in einer Stellungnahme, auch die »Inszenierung des Ausstellens und Veröffentlichens«. Man könne sich freuen, »mit der Veröffentlichung Teil eines Kunst- und Designprojektes geworden zu sein«. Das haben wir etwas anders gesehen und die Veröffentlichung weiterer Arbeiten dieser Hochschule in Frage gestellt – Journalismus lebt neben der Sorgfaltspflicht sicher auch von Humor, mehr aber noch von Vertrauen.