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Anmutung schlägt Argumente

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Anmutung schlägt Argumente

Meistens kommt es nicht auf die Technik an: Mit der Wahl der richtigen Oberfläche und Haptik kann der Tischler und Schreiner seine Kunden auf der sinnlichen Ebene überzeugen. Prof. Maximilian Ober von der Fachhochschule Rosenheim nennt die entscheidenden Erfolgspotenziale in der Oberflächenbehandlung.

Vier Schritte führen zu Oberflächen, wie der Kunde sie wirklich möchte: Produktqualität definieren, Qualität produzieren, Umweltauflagen einhalten sowie Kosten reduzieren. Hinter jedem Schritt verbergen sich Erfolgspotenziale.

Produktqualität definieren
Wie soll das Produkt aussehen, sich anfühlen, riechen? Welche Beständigkeit gegen chemische und mechanische Einflüsse soll es haben? Entspricht die beschriebene Qualität dem, was der Kunde sucht und was ihn zum Kauf verführt? Die Suche nach Antworten lohnt sich.
Emotionale Qualitäten. Heute sind meistens nicht mehr die Technik und die Funktion das kaufentscheidende Kriterium, sondern der sinnliche Eindruck eines Produktes. Der Einfluss der fünf Sinne – Sehen, Tasten, Riechen, Hören und Schmecken – wird meistens unterschätzt. Die Oberflächen vieler Gegenstände sprechen zwei, drei, manchmal vier Sinne an. Sehen und Tasten spielen fast immer eine Rolle, das Riechen manchmal, das Hören selten.
Bei der Entwicklung von Produkten wie Vertäfelungen, Fußböden, Möbeln oder Einrichtungen von Autos, Yachten und Flugzeugen kann der Tischler und Schreiner über die Wahl der Oberfläche gezielte die Sinne des potenziellen Kunden stimulieren. Die Automobilbranche setzt diese Erkenntnisse jetzt um: In ihren Forschungs- und Innovationszentren beschäftigen vor allem die Hersteller von Edelkarossen sogenannte Haptiker. Sie erforschen und bestimmen Formen, Farben, den Glanzgrad und die Oberflächenstrukturen. Ein Entwicklungsprojekt, an dem BMW, Mercedes-Benz, einige Institute und eine Hochschule zusammenarbeiten, beschäftigt sich umfassend mit der Haptik. Die Forscher wählen sich angenehm anfühlende Oberflächen aus, vermessen und beschreiben sie mit reproduzierbaren Kenngrößen. Sie erarbeiten Kennwerte für Leder, Kunststoff und lackierte Oberflächen.
Technische Qualitäten. Zur Produktqualität zählt auch die Beständigkeit gegen Verschmutzung, mechanische und chemische Belastungen. Zum Schutz vor Verschmutzungen optischer und bakterieller Art eignen sich Nanomaterialien oder besser Lacke mit Nanopartikeln. Die Forschungsarbeit der Lackindustrie im Bereich Nanotechnologie hat auch die Entwicklung von Lacken mit erhöhter Kratz- und Abriebbeständigkeit ermöglicht. Zurzeit laufen Entwicklungen für eine noch höhere Beständigkeit auch bei dünnen Schichten.
Qualität produzieren
Um eine definierte Qualität zu produzieren, muss der Lackierprozess gestaltet und genau beschrieben werden. Zu den wichtigsten Prozessparametern zählen die Applikationsmethode, die Lackviskosität, die Raumtemperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Trockenzeit bei bestimmten Klimabedingungen. Für eine störungs- und fehlerfreie Produktion von Lackoberflächen in der definierten Qualität sollte der Lackverarbeiter alle Parameter samt Toleranzen festlegen und dann erst die geeigneten Anlagen auswählen. Um Qualität produzieren zu können, ist neben den Anlagen das geeignete, motivierte und geschulte Personal entscheidend. Innenausbauern fällt das Erreichen von Oberflächenqualitäten, wie der Kunde sie tatsächlich haben möchte, oft schwer. Dies liegt zum einen daran, dass niemand die Qualitätsziele formuliert hat, und zum anderen dass jeder Auftrag eine andere Oberfläche und damit auch meistens eine andere Oberflächentechnik erfordert. Nicht immer sind die Anlagen geeignet, können die Mitarbeiter aus Zeit- und Kostengründen geschult werden. Kunden und Architekten fordern immer aufwändigere Oberflächen, die nur mit sehr komplexer Technologie herzustellen sind. Für Kleinbetriebe und Innenausbaubetriebe könnten in Zukunft Oberflächenspezialisten, also spezielle Lackierbetriebe, ein sinnvoller Partner sein. Große Betriebe lassen schon lange besonders komplizierte Lackierarbeiten von Spezialisten zuliefern.
Umweltauflagen erfüllen
Die VOC-Verordnung zur Reduzierung der Emissionen von organischen Lösemitteln fängt an zu greifen. Viele Lackierbetriebe haben sich bereits darauf eingestellt und einen Plan entwickelt, wie sie die Auflagen erfüllen können.
Als Ausweg bietet sich häufig die Umstellung auf Wasserlacke an. Für eine fehlerfreie, saubere Oberfläche erfordern diese jedoch einen erhöhten Aufwand zur Einhaltung von Prozessparametern, z. B. der Luft- und Werkstücktemperatur. Vor allem kleinere Handwerksbetriebe, die ihre Werkstatt mit Holzresten und Spänen beheizen, haben morgens oder zu Wochenbeginn Probleme, den geforderten Temperaterbereich einzuhalten. Für einige Produkte scheint Wasserlack nicht die richtige Antwort auf die VOC-Richtlinie zu sein. Eine neu entwickelte biologische Abluftreinigung könnte eine Lösung für diese Betriebe sein.
Kosten reduzieren
Einsparungen lassen sich oft durch geringere Auftragsmengen und weniger Lackverluste erzielen. Hiezu sind alle Prozessparameter fein aufeinander abzustimmen. Den größten Erfolg erreichen die Betriebe jedoch durch die Entwicklung oder Auswahl der geeigneten Oberfläche, die die Sinne des Kunden positiv erreicht und den Kunden zum Kauf verführt.
Prof. Maximilian Ober
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